Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gastric-banding-Operation. mittelbare Krankenbehandlung bei Adipositas. Ausschöpfung aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten
Orientierungssatz
1. Eine mittelbare Krankenbehandlung durch chirurgische Operation (hier: Gastric-banding-Operation) eines funktionell intakten Organs zur Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung bedarf einer speziellen Rechtfertigung.
2. Eine solche mittelbare Krankenbehandlung ist nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich, wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (vgl BSG vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R = BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1).
3. Vor der Implementation eines Magenbandes müssen alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sein. Von einer Ausschöpfung solcher Behandlungsmöglichkeiten kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattgefunden hat.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Implementation eines Magenbandes (Gastric-banding-Operation) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klägerin ist 1955 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist 164 cm groß und leidet etwa seit ihrem 17. Lebensjahr unter erheblichem Übergewicht. Ab 1977 führte die Klägerin mehrere Diäten durch; so unterzog sie sich 1977 für drei Monate einer Nulldiät und zählte in den Jahren 1977 und 1978 unter Anleitung der Weight Watchers die zugeführten Kalorien. 1979 absolvierte die Klägerin für etwa ein Jahr eine so genannte Brigitte-Diät. Von 1981 bis 1985 nahm die Klägerin an mehreren Gewichtsreduktionsprogrammen der Weight Watchers teil. In den Jahren 1986 bis 1989 erprobte die Klägerin andere Diätformen (FdH, bestimmte Lebensmitteldiäten). In der Zeit vom 16.6. bis zum 13.7.1994 hielt sich die Klägerin erstmals zur Behandlung der Adipositas stationär in der D-Klinik in L auf. An diesen Aufenthalt schlossen sich mehrere ambulante Behandlungen an. Die Klägerin musste sich in dieser Zeit mit einem speziellen Pulver ernähren. Ein zweiter stationärer Aufenthalt in der D-Klinik fand vom 22.6. bis zum 4.7.1995 statt. Neben einer Adipositas (100,8 kg) waren seinerzeit auch ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, ein metabolisches Syndrom sowie ein LWS-Syndrom bekannt. Daran anschließend nahm die Klägerin weitere ambulante Termine in der Klinik wahr. Die Therapie endete im Jahre 1996; insgesamt konnte hierdurch ein Gewichtsverlust von ca. 30 kg erzielt werden. Im selben und im folgenden Jahr führte die Klägerin zwei Trennkostdiäten durch. Schließlich nahm sie im Jahre 2002 noch für 3 Monate am sog. Body-Med-Programm teil. Mit Bescheinigung vom 27.11.2002 verordnete der Hausarzt der Klägerin, Dr. B, eine Gastroplastik mit Magenband zur Behandlung der Adipositas. Mit Schreiben vom gleichen Tage führte Prof. Dr. K (Klinikum S/Krankenhaus B C) u. a. aus, dass die Klägerin bei einem Gewicht von 138 kg einen Body-Mass-Index - BMI - von 51,5 aufweise. Konservative Therapien seien gescheitert. Zu den internistischen Problemen kämen auf Grund des Übergewichtes orthopädische Leiden hinzu. Eine Magenband-Operation sei daher angezeigt. Die Klägerin reichte die beiden Bescheinigungen im Dezember 2002 bei der Beklagten ein. In seinem durch die Beklagte veranlassten Gutachten vom 23.1.2003 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) u. a, aus, dass zunächst konservative Therapien ausgeschöpft werden müssten. Zu empfehlen sei eine Diät im Rahmen eines Optifast-Programms. Ferner sei festzustellen, dass ein Nachweis über den Ausschluss endokrinologischer oder genetisch fixierter Krankheiten nicht erbracht sei. Ebenso wenig seien neurologisch-psychiatrische Erkrankungen abgeklärt oder ausgeschlossen. Eine Ernährungsanalyse sei nirgends mitgeteilt worden. Die große Anzahl der durchgeführten Therapien und Diäten lasse an der Compliance zweifeln. Eine Operationsindikation bestehe nicht. Mit Bescheid vom 7.2.2003 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme zur operativen Versorgung einer Gastroplastik mit Magenband im Klinikum S ab und bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen im Gutachten des MDK. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen unter Verweis auf mehrere medizinische Fachpublikationen. Ferner legte die Klägerin eine Stellungnahme von Prof. Dr. K vom 21.2.2003 vor. Darin wies dieser u. a. darauf hin, dass sich übergewichtsbedingt eine diabetische Stoffwechsellage, eine Fettleber, Herzrhythmusstörungen etc. eingestellt hätten; ferner bestehe ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, das im Wege einer drastischen Gewichtsreduktion therapiert werden müsse. Bei dem hier gegebenen extremen Übergewicht stelle eine operative Maßnahme die effektivste Therapie dar. Dr. K (Neurologe und P...