Leitsatz (amtlich)
1. Den Anteil an den Kosten des vertrauensärztlichen Dienstes kann die LVA als dessen Träger von jeder beteiligten KK durch - anfechtbaren - Verwaltungsakt fordern.
2. Die LVA hat die Kosten des vertrauensärztlichen Dienstes auf die KK angemessen zu verteilen. Dabei hat sie den unterschiedlichen Mitgliederstrukturen - insbesondere mit Rücksicht auf die landwirtschaftliche KK - und der damit verbundenen verschieden hohen Kostenverursachung Rechnung zu tragen. Eine Umlage zu 100 % aller Mitglieder jeder KK ist nicht angemessen und damit unzulässig.
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 11.10.1976; Aktenzeichen S 9 So 4/75) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Weise die Beklagte die Klägerin an den Kosten des vertrauensärztlichen Dienstes im Jahre 1974 zu beteiligen hat.
Der Ausschuß für die Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherung beschloß am 22. März 1974 gegen die Stimme des Vertreters der landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Kosten für den vertrauensärztlichen Dienst im Jahre 1974 nach der Zahl der Mitglieder der einzelnen Krankenkassen umzulegen. Daraufhin hat die Beklagte durch Bescheid vom 27. Februar 1975 von der Klägerin eine Kostenbeteiligung von 148.230,– DM gefordert. Sie hat sich dabei auf das Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934 (Aufbaugesetz in RGBl. I S.577), auf § 87 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (KVLG in BGBl. I S. 1433) und auf die Bestimmungen des Reichsarbeitsministers über den vertrauensärztlichen Dienst in der Krankenversicherung vom 30. März 1936 (Bestimmungen RAM in Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung 1936, S 107–109) gestützt. In Abschnitt 3 Abs. 4 der Bestimmungen RAM heißt es: „Die Kosten des vertrauensärztlichen Dienstes trägt die Landesversicherungsanstalt, Abteilung Krankenversicherung. Sie legt diese Kosten auf die einzelnen Krankenkassen nach deren Mitgliederzahl oder nach Untersuchungsfällen um; eine Verbindung beider Umlagearten ist zulässig.”
Am 27. März 1975 hat die Klägerin die Klage zum Sozialgericht Speyer erhoben und die Art der Kostenverteilung beanstandet.
Sie hat vorgetragen: Zunächst sei es schon unzulässig, daß die Beklagte den Leistungsbescheid gegen sie erlassen habe, Sie unterstehe nämlich nicht der Weisung der Beklagten. Das ergebe sich aus § 3 Aufbaugesetz in Verbindung mit § 225 RVO, wo sie nicht aufgezählt sei. Der Bescheid sei aber auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Beklagte habe das ihr durch die Bestimmungen RAM eingeräumte Ermessen überschritten. Diese Bestimmungen seien heute nur noch dann als verfassungsbeständig anzusehen, wenn die weiten Möglichkeiten des Ermessensspielraums angewendet würden, um eine möglichst sachgerechte Lösung zu finden. In dieser Weise habe die Beklagte ihr Ermessen hier aber nicht ausgeübt. Die Beklagte wolle mit der Kostenverteilung lediglich nach Mitgliederzahlen eine möglichst einfache und billige Verwaltungshandhabung erreichen. Das sei aber eine sachfremde Erwägung, so daß die Ermessensentscheidung schon deshalb fehlerhaft sei. Sachgerecht sei nur eine den wahren Verhältnissen angemessene Lösung, die auf die unterschiedlichen Strukturen der Krankenkassen Rücksicht nehme. Die Besonderheit der landwirtschaftlichen Krankenkassen bestehe darin, daß diese bedeutend weniger Mitglieder mit einem Krankengeldanspruch hätten als die anderen Krankenkassen. Gerade in diesem Leistungsbereich werde der vertrauensärztliche Dienst zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit verstärkt in Anspruch genommen. Die landwirtschaftlichen Krankenkassen seien also bei weitem nicht in dem Umfang auf den vertrauensärztlichen Dienst angewiesen wie die anderen Krankenkassen. Im Jahre 1974 hätten bei ihr nur rund 13 %, dagegen beispielsweise bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen 91 % der Mitglieder einen Barleistungsanspruch gehabt. Bei einer Kostenverteilung schlechthin nach Mitgliederzahlen würden die landwirtschaftlichen Krankenkassen somit gegenüber den übrigen Kassen unverhältnismäßig stark belastet. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei daher nicht gewahrt. Die Beklagte müsse diesen Grundsatz jedoch beachten. Vertretbar erscheine eine Beteiligung zu 100 % je Mitglied mit Barleistungsanspruch und zu etwa 20 % bis 30 % je Mitglied ohne einen solchen Anspruch.
Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt: Sie sei berechtigt gewesen, den Leistungsbescheid gegenüber der Klägerin zu erlassen, weil diese ihren Weisungen genauso wie die übrigen Krankenkassen Im Rahmen des ärztlichen Dienstes unterworfen sei. Der Bescheid sei auch in der Sache rechtmäßig. Das Gericht sei bei der Überprüfung dieser Ermessensentscheidung auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Die Erm...