Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. verdecktes Treuhandvermögen. Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligung. unrichtige Angaben. grobe Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein sogenanntes "verdecktes" Treuhandkonto ist als reines Privatkonto zu behandeln, so dass sich derjenige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, hieran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch die Arbeitsagentur festhalten lassen muss.
2. Der Arbeitslose darf sich nicht auf die Richtigkeit seiner eigenen rechtlichen Beurteilung verlassen. Er ist verpflichtet durch Angabe des wahrheitsgemäßen Sachverhalts der Arbeitsagentur die rechtliche Bewertung der entscheidungserheblichen Frage zu ermöglichen.
Orientierungssatz
Zwar wird der verdeckte Treuhänder gezwungen, das ihm zur Verfügung gestellte Treugut für seinen Lebensunterhalt zu verwerten, weshalb er möglicherweise wirtschaftlich außerstande gesetzt wird, den Anspruch des Treugebers nach § 667 BGB zu befriedigen. Es entspricht jedoch der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandkonto ermöglicht und auch Vorteile hieraus zieht (vgl LSG Essen vom 21.8.2002 - L 12 AL 247/01).
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 08.04.2003 - S 1 AL 101/02 - wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung bezogener Arbeitslosenhilfe (Alhi) und der insoweit entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Der 1961 geborene Kläger verfügte am 30.09.1997 bei der Bank über drei auf seinen Namen laufende Sparkonten: S-Spar, S-Cash und S-Fest. Insgesamt betrug das Guthaben 83.991,55 DM (S-Spar 70,96 DM, S-Cash 15.320,59 DM und S-Fest 68.600,00 DM). Seiner 1914 geborenen Großmutter I S, die 2002 verstorben ist und seit dem 10.10.2001 im Pflegeheim S in S lebte, hatte er Kontovollmacht erteilt. Antragsgemäß bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.08.1997 Alhi ab dem 30.09.1997 für ein Jahr nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 840,00 DM. Leistungen zahlte sie ihm bis zum 21.04.1998 in einer Gesamthöhe von 7.841,50 DM aus. Ab dem 22.04.1998 bezog der Kläger Unterhaltsgeld und Arbeitslosengeld. Bei Leistungsbewilligung war der Beklagten nicht bekannt, dass der Kläger über die entsprechenden Sparkonten verfügte. In seinem Leistungsantrag vom 14.08.1997 hatte er die Frage 9.2 nach “Vermögen", in der unter 9.2.1 nach Freistellungsaufträgen, unter 9.2.2 nach “Bargeld, Bankguthaben", gefragt war, verneint.
Am 29.06.2000 betrug das Vermögen des Klägers insgesamt 103.997,29 DM (Spar-Konto S-Cash, Guthaben i.H.v. 100.84,01 DM; Girokonto bei der Vbank, Guthaben i.H.v. 3.150,28 DM). In seinem am 15.06.2000 gestellten Antrag auf Gewährung von Alhi hatte er wiederum die Frage 9.2 verneint. Mit Bescheid vom 29.06.2000 bewilligte ihm die Beklagte daher Alhi ab dem 29.06.2000 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 850,00 DM und zahlte ihm Leistungen bis einschließlich 01.05.2001 in einer Gesamthöhe von 12.467,62 DM aus. Am 02.05.2001 nahm der Kläger eine Arbeit auf.
Am 08.05.2001 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger seit 1999 über einen Freistellungsauftrag bei der Bank verfüge und der freigestellte Betrag 2.546,00 DM betrage. Auf Anfrage teilte der Kläger daraufhin unter Vorlage einer schriftlichen Erklärung seiner Großmutter mit, dass er die Konten nicht angegeben habe, weil er das Geld für seine Großmutter nur treuhänderisch verwalte und es daher nicht zu seinem Vermögen gezählt habe. Seine Großmutter bestätigte dies in ihrem Schreiben vom 08.06.2001 und führte ergänzend aus, sie habe das Vermögen für den Fall vorgesehen, dass sie wegen ihres Gesundheitszustandes in einem Pflegeheim untergebracht werden müsste. In diesem Fall würde ihre Altersrente zur Begleichung der Heimkosten nicht ausreichen. Der Kläger dürfe über das Vermögen nur mit ihrer Zustimmung verfügen. Hierbei handele es sich um ihre gesamten Ersparnisse, auf die sie angewiesen sei. Es sei zwar richtig, dass er das Geld auf seinen Namen angelegt habe, aber sie habe die gesamte Zeit Kontovollmacht gehabt, um im Zweifelsfall selbst auf ihr Geld zurückgreifen zu können.
Mit Bescheid vom 19.10.2001 und Widerspruchsbescheid vom 11.01.2002 nahm die Beklagte die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 30.09.1997 bis 21.04.1998 und 29.06.2000 bis 01.05.2001 zurück. Gleichzeitig machte sie die Erstattung der Leistungen i.H.v. 20.309,12 DM sowie der insoweit entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 7.167,89 DM gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. den §§ 330 Abs. 2, 335 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) geltend. Wegen des na...