Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Insolvenzgeldes. Arbeitsentgeltanspruch. Anspruchsübergang auf BA. tarifvertragliche Ausschlussfrist. keine Anwendung bei Einstellung des Geschäftsbetriebs des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. War im Falle der Inanspruchnahme von Insolvenzgeld der Arbeitsentgeltanspruch zum Zeitpunkt des Übergangs auf die Bundesagentur für Arbeit (§ 187 SGB 3) noch nicht verfallen, kann sich die BA auf eine tarifvertragliche Verfallklausel (hier: § 15 BauBundesRahmenTV) gegenüber dem Arbeitnehmer nicht berufen.
2. Im Falle des Zusammenbruchs eines Arbeitgebers (Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Lohnzahlungen) ist eine tarifvertragliche Verfallklausel nicht mehr anzuwenden.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.03.2007 - S 4 AL 273/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von höherem Insolvenzgeld (InsG) für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004.
Der 1979 geborene Kläger hat eine dreijährige Berufsausbildung als Maurer absolviert und war vom 01.07.1999 bis 31.08.2001 in diesem Beruf tätig. Vom 17.09.2001 bis 15.07.2002 leistete er Zivildienst und war vom 17.10.2002 bis 10.12.2003 erneut als Maurer beschäftigt. Vom 11.12.2003 bis 18.01.2004 bezog er von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). In einer Veränderungsmitteilung vom Januar 2004 teilte er der Beklagten mit, dass er ab 19.01.2004 eine Beschäftigung als Maurer (Vorarbeiter) bei der H & F GmbH - Bauunternehmen - (H & F GmbH) aufnehme. Der Kläger erhielt einen Stundenlohn von 13,75 €. Auf das Arbeitsverhältnis war der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) anzuwenden. Nach dem BRTV war der Lohn spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist.
Mit Beschluss vom 19.07.2004 ordnete das Amtsgericht Landau (AG) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH an und bestellte Rechtsanwalt W zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Arbeitgeber kündigte mit Zustimmung des Insolvenzverwalters das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.08.2004 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist (Schreiben vom 28.07.2004). Am 19.07.2004 wurde der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt; die H & F GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb im Juli 2004 ein. Der Kläger bot am 19.07.2004 gegenüber dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft an und verlangte die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts. Daraufhin erkannte der Arbeitgeber die Arbeitsentgeltansprüche gegenüber dem Kläger an, der von der Erhebung einer Klage absah (Erklärung des Klägers gegenüber der Arbeitsagentur S vom 10.08.2004). Mit Beschluss vom 24.11.2004 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H & F GmbH und ernannte Rechtsanwalt W zum Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 30.10.2006 stellte das AG das Verfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein. Die H & F GmbH erhielt das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
Der Kläger meldete sich am 19.07.2004 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte ihm für den Zeitraum vom 19.07. bis zum 31.08.2004 Alg in Höhe von insgesamt 1.182,72 € im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und machte mit Schreiben vom 10.08.2004 gegenüber der H & F GmbH den Anspruchsübergang geltend. Von einer weiteren Geltendmachung des Alg sowie der Beiträge gegenüber der H & F GmbH sah die Beklagte im Dezember 2004 ab, buchte das gezahlte Alg auf einen InsG-Ausgabetitel um und verfügte, dass zu veranlassen sei, die im Insolvenzverfahren bereits geltend gemachten Arbeitsentgeltansprüche abzusetzen. Eine Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren erfolgte nicht.
Der Kläger beantragte am 20.08.2004 bei der Beklagte die Gewährung von InsG und legte eine Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters vor, nach welcher dem Kläger für Juni 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.366,55 € (netto 1.471,68 €) sowie für Juli und August 2004 von jeweils 2.442,88 € (netto 1.506,86 €) nicht ausgezahlt worden sei. Die Beklagte bewilligte InsG für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.08.2004 in Höhe von 4.485,40 €, setzte die Alg-Zahlungen in Höhe von 1.182,72 € ab und zahlte 3.302,68 € aus (Bescheid vom 06.12.2004). Der Widerspruch des Klägers wurde am 22.03.2005 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 21.04.2005 Klage vor dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Das SG hat den Insolvenzverwalter zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 27.03.2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, weiteres Insolvenzgeld auf der Basis eines Stundenlohnes von 15,55 € zu bewilligen und auszuzahlen. Dem Kläger sei höheres InsG zu gewähren. Als Vorarbeiter habe ihm ein tarifvertragliche...