nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitaufstieg. Veränderung. unrichtige Subsumtion. Erwerb neuer Erkenntnisse und Fähigkeiten
Leitsatz (amtlich)
Einem gelernten Dachdecker, dem die LVA in Verkennung der medizinischen Sachlage und der Verweisbarkeit auf gleichwertige Arbeitstätigkeiten Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt hat, und der unverändert nur eine Hilfskrafttätigkeit einfachster Art bei der Standortverwaltung der Bundeswehr ausübt, kann die Rente nicht wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne von RVO § 1286 Abs. 1 S 1 entzogen werden, wenn er im Wege des Bewährungsaufstiegs von der Tarifgruppe VII (1) SV 2 a MTB II nach VI (1) SV 2 a MTB II höhergestuft wird.
Normenkette
RVO § 12 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 12.05.1975; Aktenzeichen S 12 J 880/74) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
2. Auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren hat die Beklagte zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die Berufsunfähigkeitsrente wegen Änderung der Verhältnisse entziehen darf.
Der 1938 geborene Kläger ist gelernter Dachdecker und war in diesem Beruf als Geselle tätig. Am 23. Oktober 1971 erlitt er anläßlich eines Betriebsunfalles eine Quetschung der linken Hand. Als Folge des Arbeitsunfalls hat die Bau-Berufsgenossenschaft F./M. als Unfallfolgen mit einer Dauerminderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % anerkannt: „Bewegungseinschränkung in den Mittel- und Endgelenken der Finger 2 bis 4 links, Gefühlsstörungen an diesen Fingern, unvollständiger Faustschluß und Verschmächtigung der Finger 2 bis 4 links”. Die Unfallrente belief sich zuletzt auf 366,50 DM.
Auf seinen Rentenantrag vom 19. Januar 1972 hin ließ ihn die Beklagte durch den Chirurgen Dr. Z., H., untersuchen, der in seinem Gutachten vom 7. März 1972 ausführte, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, seine frühere Tätigkeit als Dachdecker auszuüben. Auch in den meisten Berufen des übrigen Baugewerbes sei eine Beschäftigung nicht zumutbar. Eine Tätigkeit an einer Baumaschine oder an einem Kran sei möglich, eventuell auch der Einsatz als Lkw-Fahrer. Aufgrund dieses Gutachtens kam Medizinaldirektor Dr. L. von der Gutachterstelle der Beklagten in A. am 27. März 1972 zu dem Ergebnis, daß der Kläger alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung des herabgesetzten Greifvermögens der linken Hand ausführen könne.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1972 bewilligte die Beklagte daraufhin dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit.
11 Tage später, am 17. Juli 1972 nahm der Kläger bei der Standortverwaltung D. eine Arbeit als Hilfearbeiter an. Er ist dort seitdem mit dem Ein- und Auslagern von Lebensmitteln in einem Verpflegungslager beschäftigt. Nach der Arbeitsaufnahme des Klägers leitete die Beklagte Wiedereingliederungsmaßnahmen ein, denen der Kläger ausdrücklich zustimmte. Zu einer Umschulung kam es jedoch nicht, weil in dem psychologischen Eignungsgutachten des Diplom-Psychologen G. vom 12. August 1974 von solchen Maßnahmen wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgeraten wurde. Wie dieser näher ausführte, liege das intellektuelle Begabungsniveau des Klägers im Verhältnis zur Arbeitsgruppe unterdurchschnittlich bis knapp durchschnittlich. Es fänden sich keine Begabungsschwerpunkte. Die Konzentration bei geistiger Leistungsanforderung sei knapp durchschnittlich. Die psychophysische Belastbarkeit sei knapp eingeschränkt. Ein konkreter Umschulungswunsch liege nicht vor, der Kläger traue sich eine Umschulung geistig nicht mehr zu. Er möchte lieber seine derzeitige Tätigkeit behalten, da er mit diesem Verdienst und der Versichertenrente ein ausreichendes Einkommen habe. Es sei unter diesen Umständen kaum mit einem erfolgreichen Abschluß von Schulungsmaßnahmen zu rechnen.
Mit Formularbescheid vom 28. Oktober 1974 entzog die Beklagte ohne nähere Begründung dem Kläger wegen Änderung der Verhältnisse mit Ablauf des Monats November 1974 die bis dahin gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, eine Änderung in seinen Verhältnissen habe in keiner Weise stattgefunden. Er sei nach wie vor unfähig, seinen früheren Beruf wieder auszuüben. Auch eine Umschulung habe sich nach verschiedenen Untersuchungen als unmöglich herausgestellt. Bei seiner jetzigen Tätigkeit verdiene er etwa 1/3 weniger als zuvor. Er übe ohne eigene Denkarbeit eine monotone Tätigkeit aus und werde als ungelernter Hilfsarbeiter mit primitiven Tätigkeiten beschäftigt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1974 aufzuheben und diese zu verurteilen, an ihn auch über den 30. November 1974 hinaus Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, der Kläger verdiene derzeit einen Brutt...