Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 13.04.1976; Aktenzeichen S 6 U 105/75) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 13. April 1976 abgeändert:
Die Klage gegen den Bescheid vom 8. April 1975 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1952 geborene unverheiratete Kläger war seit Oktober 1973 bei einer Firma in S. als Schriftsetzer beschäftigt. In einem S. Vorort hatte er ein möbliertes Zimmer gemietet, in dem er sich während der Arbeitswoche aufhielt. Die Wochenenden verbrachte der Kläger regelmäßig abwechselnd entweder bei seiner verwitweten Mutter in K., in deren Wohnung er ein eigenes Zimmer hatte und wo er auch mit erstem Wohnsitz polizeilich gemeldet war, oder in der Familie seines Onkels in M. Kreis R.. Seine gebrauchte Wäsche nahm der Kläger jeweils mit. Sie wurde an dem einen Wochenende von der Mutter und an dem anderen Wochenende von der Ehefrau des Onkels gewaschen und instandgehalten. Am 4. Januar 1974 fuhr der Kläger mit seinem Pkw wie Üblich von S. nach M., um das bevorstehende Wochenende bei seinen Verwandten zu verbringen. Wenige Kilometer vor M. geriet er auf Glatteis von der Fahrbahn ab und erlitt einen Verkehrsunfall, bei dem er sich schwere Schädelverletzungen mit wahrscheinlich bleibenden Folgen zuzog.
Nach Durchführung von Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. April 1975 die Gewährung einer Entschädigung ab, da es sich bei der Unfallfahrt nicht um eine versicherte Familienheimfahrt gehandelt habe. Die Wohnung des Onkels in M. sei nicht als Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Klägers anzusehen.
Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, in der Familie des Onkels, die er jedes zweite Wochenende aufgesucht habe, sei er in gleichem Maße wie bei seiner Mutter versorgt worden. Entfernungsmäßig bestehe zwischen K. und M. von S. aus kein wesentlicher Unterschied.
Das Sozialgericht Speyer hat nach Anhörung des Klägers durch Urteil vom 13. April 1976 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 4. Januar 1974 Entschädigung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die besonderen Verhältnisse im Falle des Klägers ließen es gerechtfertigt erscheinen, außer der Wohnung der Mutter in K.. auch die Wohnung des Onkels als Familienwohnung des Klägers im Sinne des § 550 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen. Die Anhörung des Klägers habe ergeben, daß er durch besonders enge Beziehungen mit der Familie des Onkels in M. verbunden gewesen sei. Seit seiner frühen Jugend habe er ständig einen großen Teil der Freizeit (Ferien und Urlaub) in M. verbracht. Auch während der Dienstzeit bei der Bundeswehr sei der Kläger an Wochenenden immer wieder nach M. gefahren, um dort seine Freizeit in der Familie des Onkels zu verbringen. Dabei sei von Bedeutung, daß die Entfernung zwischen dem seinerzeitigen Standort C. und M. wesentlich weiter als nach K. gewesen sei und dieser Weg gewissermaßen an der Wohnung der Mutter vorbei nach M. geführt habe. Die Angabe des Klägers, er habe sich in der Familie des Onkels genauso zu Hause gefühlt wie bei seiner Mutter, sei deshalb glaubhaft. All dies beweise, daß der Kläger im Unfallzeitpunkt auch in M. tatsächlich einen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse besessen habe.
Gegen das am 26. April 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. April 1976 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Aus der Tatsache, daß der Kläger am Arbeitsort in S. ein möbliertes Zimmer bewohnt und dort auch regelmäßig in der Woche seine Freizeit verbracht habe, ergebe sich, daß er hier den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gehabt habe. Auch wenn man dies verneine, könne dahingestellt bleiben, ob die Familienwohnung des Klägers die Wohnung seiner Mutter in K. gewesen sei, da sich der Unfall nicht auf dem Wege nach K. ereignet habe. Auf keinen Fall könne aber die Familie des Onkels in M. als Mittelpunkt der Lebens Verhältnisse des Klägers angesehen werden. Denn dort habe er weder ein Zimmer noch Mobiliar gehabt. Die Aussage des Klägers, er habe sich in der Familie des Onkels genauso zu Hause gefühlt wie bei seiner Mutter, mache die Wohnung des Onkels noch nicht zur Familienwohnung im Sinne des § 550 Abs. 3 RVO.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzureisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, er habe in der Wohnung des Onkels in M. auch private Sachen aufbewahrt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozeßakten Bezug genommen. Die Akten der Beklagten Nr. … waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berugung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, daß der Kläger bei der unfallbringenden Fahrt nach Möllenbronn am 4. Jan...