Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch. Beitragserstattung. Veranlagungsbescheid. Tarifzeit. Gefahrklasse

 

Leitsatz (amtlich)

Beitragsbescheide der gesetzlichen Unfallversicherungsträger und Bescheide über die Veranlagung der Unternehmen zu den Gefahrklassen aus einem abgeschlossenen Tarifzeitraum können zu Gunsten eines Mitglieds nach SGB X § 44 Abs. 1 aufgehoben werden. RVO § 734 Abs. 2 regelt als Sondervorschrift zu SGB X § 44 die Neuveranlagung innerhalb der laufenden Tarifzeit und schließt eine Rücknahme von Veranlagungsbescheiden für frühere Tarifzeiträume nach SGB X § 44 Abs. 1 nicht aus.

SGB X Art. II § 40 Abs. 2 Satz 3 gilt nicht bei einer Rücknahme nach SGB X § 44.

 

Normenkette

SGB IV § 26 Abs. 1; SGB X § 44 Abs. 1; SGB X Art. II § 40 Abs. 2; RVO § 734 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Entscheidung vom 16.08.1982; Aktenzeichen S 4 U 157/82)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen

2. Die Beklagte wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des angefochtenen Bescheids verpflichtet, die Beitrags bescheide für die Jahre 1976 (2. Mai 1977) und 1977 bis 1979 sowie den Veranlagungsbescheid vom 4. Dezember 1974 rückwirkend soweit aufzuheben, als durch sie wegen fehlender Einstufung in die Gefahrklasse 15 Beiträge zu Unrecht zuviel erhoben worden sind.

Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, die seit 1977 zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten.

3. Im übrigen werden die Klage und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Beiträgen, die sie in Höhe von etwa 20.000,– DM in den Jahren 1973 bis 1979 überzahlt hat.

Die Klägerin ist seit dem Jahre 1961 Mitglied der Beklagten und war bis zum Jahre 1972 in die Gefahr tarifstellen 09 (Stahlbauwerkstatt und Stahlbaumontage),15 (Maschinenbau und Herstellung von Maschinenteilen) sowie 29 (kaufmännischer und verwaltender Teil des Unternehmens) eingestuft. In dem Lohnnachweis für das Jahr 1973 trug sie für die Gefahrtarifstellen 15 keine Arbeitnehmer ein. Daraufhin änderte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 1974 die Veranlagung zu den Gefahrtarifen und löschte die Tarifstelle 15. Zur Begründung führte sie aus, im Lohnnachweis 1973 seien Entgelte für die der Stelle 15 zuzuordnenden Unternehmenszweige nicht nachgewiesen, so daß man davon ausgehe, daß diese Betriebsteile eingestellt worden seien.

Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Für die neue Tarifzeit ab 1. Januar 1975 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 4. Dezember 1974 nur noch zu den Gefahrtarifstellen 09 und 29. Ebenso verfuhr sie für die Tarifzeit ab 1. Januar 1980 in ihrem Bescheid vom 23. November 1979. Beide Verwaltungsakte (VwAe) ließ die Klägerin bestandskräftig werden. Auch gegen die entsprechenden Beitragsbescheide seit dem Jahre 1973 wandte sie nichts ein.

Mit Schreiben vom 29. Januar 1981 teilte die Klägerin der Beklagten zutreffend mit, die Tarifstelle sei zu Unrecht gestrichen worden. Daraufhin fügte die Beklagte dem Veranlagungsbescheid vom 23. November 1979 für die Zeit ab 1. Januar 1980 die Gefahrtarifstelle 15 (Herstellung von Aufzügen, Kranen, Hebezeugen, Gleis-Drahtseil- und Stetigförderern) hinzu. Auch den Beitragsbescheid für das Jahr 1980 vom 21. April 1981 erließ sie auf der Grundlage der Gefahrtarifstellen 09, 29 und 15.

Nunmehr bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 25. Mai 1981, die unrichtige Einstufung auch für die zurückliegende Zeit zu berichtigen. Dies lehnte die Beklagte am 16. Juni 1981 mit der Begründung ab, die Veranlagungsbescheide vom 13. Februar und vom 4. Dezember 1974 seien bindend geworden. In einem weiteren Schreiben vom 2. Juli 1981, das die Beklagte als Widerspruch auslegte, bestand die Klägerin auf der Erstattung des von ihr ohne rechtlichen Grund für die Jahre 1973 bis 1979 überzahlten Beiträge. Die Beklagte lehnte auch dies mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 1981 ab: Zwar sei die Klägerin fehlerhaft eingestuft worden, nach pflichtgemäßem Ermessen werde jedoch dahingehend entschieden, sie nicht neu zu veranlagen. Die Klägerin habe es sich selbst zuzuschreiben, daß sie die Veranlagungsbescheide nicht angefochten habe, aus denen der Wegfall der Tarifstelle 15 eindeutig zu ersehen gewesen sei. Beiträge aus einer abgeschlossenen Tarifzeit zu erstatten, würde den Eigenheiten des Umlageverfahrens und den Interessen der Übrigen Mitgliedsbetriebe zuwiderlaufen, denn diese müßten darauf vertrauen können, nicht für zurückliegende, bestandskräftig abgerechnete Geschäftsjahre erneut in Anspruch genommen zu werden.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht, von der Beklagten sei ihr Betrieb während des fraglichen Zeitraums verschiedentlich überprüft worden. Dabei habe die Beklagte sie auf die fehlerhafte Gefahrklassenzuteilung hinweisen müssen. Dagegen hat die Beklagte eingewandt, nach § 25 ihrer Satzung seien di...

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