Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. innerer Zusammenhang. Straftat. fahrlässige Begehung. Verkehrsunfall. Gefährdung des Straßenverkehrs. allgemeine Straßenverkehrsgefahr
Orientierungssatz
Eine strafrechtliche Verurteilung nach § 315c Abs 1 Nr 2 Buchst b, Abs 3 Nr 2 StGB schließt einen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit nach dem Zurücklegen des Weges aus, weil nicht mehr die vom Unfallversicherungsschutz umfassten allgemeinen Verkehrsgefahren als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sind, sondern allein das - wenn auch fahrlässige - grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten des Versicherten im Verkehr. In diesem Fall ist auch ein fahrlässiges Verhalten ausreichend, um den inneren Zusammenhang zwischen dem zurückgelegten Weg zu oder von der Arbeitsstätte und den betrieblichen Belangen zu verneinen.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung und Entschädigung eines Ereignisses vom Juni 1993 als Arbeitsunfall.
Der Kläger ist 1968 geboren. Er erlitt am 16.6.1993 gegen 7.50 Uhr einen Verkehrsunfall. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich mit seinem Motorrad auf dem Weg von zu Hause zur Meisterschule bei der Handwerkskammer K. Dort absolvierte er einen Vorbereitungslehrgang (Vollzeitkurs) zur Meisterprüfung im Elektrohandwerk. Dieser Lehrgang wurde vom Arbeitsamt als Fortbildungsmaßnahme finanziert. Zum Unfallzeitpunkt fuhr der Kläger die L 350 aus Richtung H kommend in Richtung V. Vor ihm fuhren zwei Personenkraftwagen (Pkw) und -- vor diesen Fahrzeugen -- ein Lastkraftwagen (Lkw). In einer langgezogenen, unübersichtlichen Rechtskurve in der Gemarkung S überholte der Kläger die beiden Pkw und stieß frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Dabei wurde der Kläger erheblich verletzt. Nach einem Gutachten des Priv.-Doz. Dr. B, Chefarzt der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte am Krankenhaus Evang. Stift St. Martin K, zog sich der Kläger im Wesentlichen eine Schlüsselbeinfraktur zu, die zumindest vorübergehend die Gewährung einer Verletztenrente rechtfertigen würde (Gutachten vom 24.6.1996).
Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts -- Strafrichter -- M vom 9.12.1993, berichtigt durch Beschluss vom 25.2.1994, wurde der Kläger wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach §§ 315 c Abs 1 Nr 2 b, Abs 3 Nr 2, 44 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Außerdem wurde ihm für die Dauer von drei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 13.8.1996 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8.10.1996 die Feststellung des Ereignisses vom 16.3.1993 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, durch sein verkehrswidriges Fahrverhalten habe sich der Kläger von der versicherten Tätigkeit gelöst.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe infolge von Blendwirkung das entgegenkommende Fahrzeug übersehen. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.1.1997 wies die Beklagte unter Bezugnahme auf das strafgerichtliche Urteil den Widerspruch des Klägers zurück.
Durch Urteil vom 23.7.1997 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar stehe die Fahrt von zu Hause zur Meisterschule bei der Handwerkskammer K grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Im Zeitpunkt des Unfalles habe sich der Kläger durch seine grob verkehrswidrige und rücksichtslose Fahrweise jedoch von der versicherten Tätigkeit gelöst. Durch sein Fahrverhalten sei der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufgehoben worden.
Gegen das am 6.8.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.9.1997 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, das Amtsgericht M habe ihn wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs 1 Nr 2 b, Abs 3 Nr 2 StGB verurteilt. Er habe danach sowohl fahrlässig gehandelt als auch die Gefahr fahrlässig verursacht. Diese "doppelte" Fahrlässigkeit iS der genannten Strafvorschrift sei nicht geeignet, den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu verneinen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass er durch die plötzlich einfallende Sonne geblendet worden sei. Nach Aussage der Zeugen habe er grundsätzlich ausreichend Platz zum Überholen gehabt. Ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 23.7.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.1.1997 aufzuheben, das Ereignis vom 16.6.1993 als Arbeitsunfall festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Überholen des Klägers, das zu dem Unfallereignis vom 16.6....