nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Trier (Entscheidung vom 06.01.2003) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 6.1.2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Kläger bei seinem Unfall vom 4.5.2002 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der am 1983 geborene Kläger nahm in der Zeit vom 1. bis 8.5.2002 als Schüler zusammen mit insgesamt 56 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 des G -Gymnasiums in D an einer Studienfahrt in die Toskana teil. Die Teilnahme war für die Schüler verpflichtend.
Der Kläger war im ersten Stock eines Hotels in M T in einem Doppelzimmer gemeinsam mit dem Mitschüler T B untergebracht. Daneben lag das Zimmer von vier Mitschülerinnen, daran angrenzend das Zimmer zweier Mitschüler. Vor den Fenstern der Zimmer im ersten Stock verläuft ein schmales Sims mit einer Breite zwischen 70 und 100 cm. Dorthin kann man nur gelangen, indem man aus dem Fenster klettert. Im Bericht über eine Befragung des Schulleiters, der an der Klassenfahrt teilnehmenden Lehrer und von Schülern der Jahrgangsstufe 12 vom 22.5.2002 ist nach Angaben von Lehrern von einer Breite des Simses von 70 cm (nach Angaben der Lehrerin Spies 70-80 cm), nach Angaben von Mitschülern von einer Breite von 70-100 cm die Rede.
Am 3.5.2002 machte die Gruppe einen Ausflug nach Pisa und Lucca. Sie kam gegen 20 Uhr zum Hotel zurück. Anschließend wurde gemeinsam bis gegen 21 Uhr das Abendessen eingenommen. Danach war es den Schülern freigestellt, was sie noch unternahmen. Die Schüler sollten bis 23 Uhr im Hotel zurück sein; spätestens um 23.30 Uhr sollten sie sich in ihren Zimmern befinden; sie sollten danach, aus Rücksicht auf die anderen Hotelgäste, möglichst ihre Zimmer nicht mehr verlassen. Die Lehrer führten gegen 23.30 Uhr eine Zimmerkontrolle durch.
Gegen 0.15 Uhr meldete eine Schülerin dem begleitenden Lehrpersonal, dass sich Schüler auf dem Sims befänden. Die Lehrerinnen L und S gingen daraufhin in das Zimmer von Frau S im 2. Stock und sahen aus dem Fenster, wobei sie zwei Schüler auf dem Sims wahrnahmen. Auf einen Zuruf der aufsichtsführenden Lehrerin, die Schüler sollten sich sofort in ihre Zimmer begeben, versuchte der Kläger schnellen Schrittes sein Zimmer auf der anderen Seite des Simses zu erreichen. In diesem Augenblick wurde ein bis dahin geschlossener Fensterladen im "Mädchenzimmer" geöffnet, so dass dem Kläger der weitere Weg plötzlich versperrt war. Um nicht gegen den Fensterladen zu stoßen, sprang der Kläger vom Sims ab. Beim Aufprall auf den Boden verletzte er sich erheblich. Er zog sich einen geschlossenen distalen (körperfernen) Unterschenkelbruch rechts im körperfernen Drittel, eine dislozierte (verschobene) distale Radiusfraktur (Speichenbruch) links mit Abbruch des Processus styloideus ulnae (Griffelfortsatz der Elle) links sowie einen Kompressionsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers zu.
Der Schulleiter bestätigte, dass der Kläger über die altersentsprechende Reife und Einsichtsfähigkeit verfüge. Nach Angaben der Lehrer hatte der Kläger keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen. Seine Mitschüler sprachen davon, er habe 2-3 Dosen Bier getrunken. Mitschüler gaben an, bereits zuvor sei das Sims "ein- bis zweimal als Weg benutzt" worden. Der Kläger habe dabei eine Videokamera in der Hand gehabt, um eine Aufnahme zu machen.
Der Kläger gab an: Ihm sei bewusst gewesen, dass es nicht erlaubt gewesen sei, auf dem Sims zu gehen. Er habe jedoch noch gemeinsam mit T B zu seinen Mitschülern gewollt; da die Lehrer den Flur überwacht hätten, sei er über das Sims gegangen. Er sei, als der Fensterladen im "Mädchenzimmer" geschlossen worden sei, auf die Straße gesprungen, da er nicht mehr habe anhalten können und befürchtet habe, unkontrolliert zu stürzen.
Mit Bescheid vom 28.5.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Schulunfall ab. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger sei zwar während der Klassenfahrt gegen Unfall versichert gewesen. Versicherungsschutz bestehe aber nicht während der gesamten Dauer einer Schulfahrt für jedwede Betätigung der Teilnehmer. Er entfalle dann, wenn sich der Schüler rein persönlichen, von der Schultätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widme. Der Kläger sei im Unfallzeitpunkt bereits 18 Jahre und 8 Monate alt und damit kein Jugendlicher gewesen. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das zum Unfall führende Verhalten durch gruppendynamische Prozesse (zB Kabbeleien, Drohungen, Mutproben) herbeiführt worden sei. Das Verhalten des Klägers könne angesichts dessen Alters nicht mehr einem Spieltrieb oder sonstigen typischen Gruppenverhalten zugerechnet werden. Es gälten damit die für Erwachsene maßgebenden Kriterien zum Versicherungsschutz bei Dienst- und Geschäftsreisen. Danach ...