Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 19.11.1976; Aktenzeichen S 13 J 35/76) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 19. November 1976 sowie der Bescheid vom 6. Januar 1976 abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei der Feststellung der Witwenrente der Klägerin die Haftzeiten ihres Ehemannes vom 17. August 1950 bis 17. Februar 1951 sowie vom 11. April 1951 bis 19. April 1958 als Ersatzzeit rentensteigernd anzurechnen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Feststellung der der Klägerin gewährten Witwenrente weitere Beitrags- bzw. Ersatzzeiten rentensteigernd anzurechnen sind.
Die 1894 geborene Klägerin ist die Witwe des am … 1893 geborenen und am … 1972 in S./DDR verstorbenen Versicherten W. S. Dieser hatte bei der Reichsbahn in S. den Beruf eines Maschinenschlossers erlernt und war als solcher auch bei der Reichsbahn beschäftigt. Beitragsentrichtungen sind für ihn in der Zeit vom 19. April 1909 bis 30. März 1913 sowie vom 25. November 1918 bis 21. März 1920 und vom 11. März bis 15. April 1929, insgesamt 278 Beitragswochen, nachgewiesen. Der Versicherte leistete vom 1. April 1913 bis 13. November 1918 Wehrdienst, war vom 2. März 1920 bis 31. Januar 1924 Reichsbahnbeamter (Lokomotivheizer) und ab 1. Februar 1924 Wartestandsbeamter. Laut Auskunft des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) S. vom 2. September 1975 bezog er bis einschließlich März 1972 eine Invalidenaltersrente von monatlich 172,– Mark, wobei eine versicherungspflichtige Tätigkeit von 29 Jahren bis 31. Dezember 1945 und von drei Jahren ab 1. Januar 1946 berücksichtigt war. Weitere Versicherungsunterlagen sind nach Mitteilung der FDGB nicht vorhanden.
Wegen sogenannter Hetze und übler Verleumdung der DDR und der Sowjetunion befand sich der Versicherte vom 17. August 1950 bis 17. Februar 1951 im Gefängnis S. und wieder ab 11. April 1951 in Untersuchungshaft, wurde 1952 vom Bezirksgericht Magdeburg zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt und war bis 26. Juni 1961 in den Gefängnissen Q. und M. sowie in der Nervenheilanstalt U. inhaftiert. Seine erneute Einweisung in die Anstalt U. erfolgte vom 4. November 1963 bis 25. Februar 1965.
Die Klägerin kam im August 1960 in die Bundesrepublik und ist Inhaberin eines Vertriebenen- und Flüchtlingsausweises C. Aufgrund Bescheides vom 30. September 1975 erhält sie von der Bundesbahn Hinterbliebenenbezüge ab 1. Juli 1975 aus dem früheren Dienstverhältnis ihres Ehemannes in Höhe von monatlich 629,96 DM. Die Bezirksregierung Rheinland-Pfalz gewährte ihr mit Bescheiden vom 22. März 1976 unter gleichzeitiger Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz (HHG) eine Eingliederungshilfe von insgesamt 18.780,– DM sowie eine Ausgleichsleistung von 13.000,– DM. Nachdem die Bezirksregierung mit Bescheid vom 26. April 1976 die Ausstellung der Bescheinigung und die Leistungsgewährung widerrufen hatte, wurde dieser Bescheid auf den Widerspruch der Klägerin durch Bescheid vom 2. Dezember 1977 aufgehoben.
Im Juli 1974 stellte die Klägerin bei der Beklagten Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 6. Januar 1976 gewährte ihr die Beklagte unter Zugrundelegung der ab 1909 nachgewiesenen Beitragszeiten (278 Beitragswochen) und des militärischen Dienstes vom 1. April 1913 bis 18. November 1918 ab dem Todestag des Versicherten Witwenrente, die ab 1. Juli 1975 auf monatlich 212,10 DM festgesetzt wurde.
Mit der Klage gegen diesen Bescheid hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe es zu Unrecht unterlassen, weitere in die Zeit von März 1924 bis März 1945 fallende Versicherungszeiten sowie die Inhaftierungszeiten von 1950 bis 1965 anzurechnen. Der Versicherte habe nach seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (Anfang 1924) bis März 1945 eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Maschinenschlosser ausgeübt, und war bei verschiedenen Firmen, an die sie sich nicht mehr erinnern könne. Von August 1945 bis zu seiner Verhaftung am 17. August 1950 habe er ebenfalls in seinem Beruf, zuletzt in einer Zuckerfabrik in S. gearbeitet. Die Klägerin hat sich auf eine Erklärung ihres Sohnes M. S. vom 21. April 1975 vor dem Versicherungsamt der Stadt Mainz berufen, wonach der Versicherte 1924 und auch noch 1930 in der Zuckerfabrik, später bei den Opelwerken sowie in der Waffen- und Munitionsfabrik in B. tätig gewesen sei. Sie hat weiterhin Bezug genommen auf schriftliche Erklärungen ihrer Stieftochter I. R. und ihrer Schwester E. Sc., in denen versicherungspflichtige Beschäftigungen des Versicherten von 1924 bis 1945 ohne Benennung von Betrieben oder Firmen angenommen werden. Hinsichtlich der geltend gemachten Ersatzzeit von 1950 bis 1965 hat die Klägerin vorgebracht, ihr Ehemann müsse zu dem nach § 1 HHG begünstigten Personenkrei...