Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhebung der Altersgrenze. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Stichtagsregelung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Zur Frage, ob die vorgezogene Anhebung der Altersgrenzen bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuStFöG) vom 23.7.1996 (BGBl I 1996, 1078) und das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1996, 1461, 1806) gegen das GG verstößt.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Anspruch des 1938 geborenen Klägers auf eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit durch Berücksichtigung höherer persönlicher Entgeltpunkte.
Am 14.7.1994 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin, der M AG, Werk G, einen Auflösungsvertrag zum 31.7.1994. Er erhielt eine Abfindung in Höhe von 88.959,58 DM.
Am 8.7.1994 hatte sich der Kläger bereits beim Arbeitsamt Rastatt arbeitslos gemeldet. In seinem Antrag auf Arbeitslosengeld bestätigte er unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten") erhalten zu haben. Mit Bescheiden vom 27.9.1994 stellte das Arbeitsamt Rastatt fest, dass der Leistungsanspruch des Klägers wegen der erhaltenen Abfindung bis zum 6.2.1995 ruhe, und verhängte für den Kläger eine Sperrzeit von 12 Wochen. Mit Schreiben vom 23.9.1994 teilte der Kläger dem Arbeitsamt Rastatt mit, dass er am 24.9.1994 nach R/Frankreich umziehen werde. Das Arbeitsamt R übersandte dem Kläger am 27.10.1994 gemäß den Bestimmungen der Verordnung 1408/71 das Formular E 301 (Bescheinigung von Zeiten, die für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen sind) zur Vorlage beim französischen Arbeitsamt. Mit am 24.5.1996 beim Arbeitsamt R eingegangenen Schreiben wandte sich der Kläger an das Arbeitsamt und widerrief vorsorglich eine mögliche Erklärung gemäß § 105c AFG. Mit Schreiben vom 10.6.1996 bestätigte das Arbeitsamt Rastatt, dass der Kläger keine Erklärung nach § 105c AFG abgegeben habe und auch nicht arbeitsuchend gemäß § 105c AFG geführt werde.
Die Beklagte teilte dem Kläger anlässlich eines Kontenklärungsverfahrens mit Schreiben vom 4.2.1997, 17.9.1997 und 12.2.1998 mit, dass für die Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeiten und zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Altersrente für Arbeitslose bei Vollendung des 60. Lebensjahres es erforderlich sei, dass der Versicherte dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Der Kläger meldete sich am 4.3.1997 beim Arbeitsamt Rastatt arbeitslos. Beim zuständigen französischen Sozialversicherungsträger ist der Kläger seit dem 24.8.1994 als arbeitslos gemeldet.
Im August 1998 beantragte der Kläger beim französischen Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Altersrente ab 1.9.1998. Das Arbeitsamt R bescheinigte dem Kläger als Grenzgänger Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 4.3.1997 bis zum 31.8.1998 (Schreiben vom 9.9.1998). Der Kläger teilte der Beklagten mit, nachdem er darüber informiert worden war, dass nur eine gekürzte Altersrente nach dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz in Betracht komme, dass er der Ansicht sei, die Voraussetzungen für eine ungekürzte Rente zu erfüllen. Mit Bescheid vom 31.10.1998 und Widerspruchsbescheid vom 2.8.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.9.1998 Rente wegen Arbeitslosigkeit. Bei dem Kläger sei ein Rentenabschlag vorzunehmen. Der Zugangsfaktor sei wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente von 1,0, für die 21 Kalendermonate, die die Rente vorzeitig in Anspruch genommen werde, um 0,063 auf 0,037 zu mindern. Der Kläger könne sich nicht auf die Vertrauensschutzregel des § 237 Abs 2 SGB VI berufen, weil er am Stichtag, dem 14.2.1996, nicht bei einem deutschen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet gewesen sei. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht.
Durch Urteil vom 9.11.2001 hat das Sozialgericht Speyer (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit den Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gemindert. Der Kläger könne nicht die Vertrauensschutzregel des § 237 Abs 2 SGB VI in Anspruch nehmen, weil er nicht bei einem deutschen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet gewesen sei. Auch habe er keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen verletzter Beratungspflicht. Vertrauensschutz könne nicht nachträglich fingiert werden.
Gegen das am 13.2.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.3.2002 Berufung eingelegt.
Er ist der Auffassung, er habe nach der Mitteilung, in Frankreich zu wohnen, davon ausgehen können, dass er beim Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet sei. Den Merkblättern habe er nicht entnehmen können, da...