Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Berechnung. Arbeitsentgelt. Zwangsvollstreckungskosten. Anrechnung

 

Orientierungssatz

Kosten der Zwangsvollstreckung, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach teilweiser erfolgreicher Beitreibung von ausstehendem Arbeitsentgelt entstanden sind, gehören nicht zum Arbeitsentgelt iS von §§ 183, 185 SGB 3; daran ändert auch die Tilgungsreihenfolge des § 367 Abs 1 BGB nichts.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.10.2009; Aktenzeichen B 11 AL 18/08 R)

 

Tenor

1.

Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 07.03.2006 - S 1 AL 1272/04 - wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs auf Insolvenzgeld (Insg) streitig.

Der Kläger war bis zum 15.06.2002 bei der Firma B S als "Backstubenleiter" beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers. Durch Schlussurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17.10.2002 wurde der Arbeitgeber verurteilt, dem Kläger eine monatliche Bruttovergütung von 3.962,51 € zu zahlen. Für die Zeit vom 01.04.2002 bis zum 15.06.2002 betrug die Gesamtforderung 9.906,28 € brutto. Nach den vom B S erstellten Lohnabrechnungen belief sich das Nettogehalt des Klägers für die Monate April und Mai auf jeweils 2.549,82 € und für Juni auf 1.275,08 €. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung zahlte der ehemalige Arbeitgeber insgesamt 4.985,30 € an den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Nach Abzug der Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 743,18 € erhielt der Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten einen Betrag von 4.242,12 €.

Am 28.01.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma B S eröffnet. Der Kläger beantragte bereits am 22.01.2004 die Gewährung von Insg für das in der Zeit vom 01.04.2002 bis zum 15.06.2002 ausgefallene Arbeitsentgelt. In seinem Antrag wies er daraufhin, dass der Arbeitgeber bereits Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.242,14 € geleistet habe.

Mit Bescheiden vom 13. und 15.09.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insg in Höhe von 133,60 € und 1.255,82 € (insgesamt 1.389,42 €). Den gegen die Leistungshöhe gerichteten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 24.11.2004 zurück. Die Kosten der Zwangsvollstreckung seien nicht Bestandteil des Insg. Die Leistung sei unter Berücksichtigung der vom ehemaligen Arbeitgeber erstellten Gehaltsabrechnungen zutreffend berechnet und nach Abzug der bereits im Rahmen der Zwangsvollstreckung erhaltenen Zahlungen bewilligt worden.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte mit Urteil vom 07.03.2006 verurteilt, dem Kläger weiteres Insg in Höhe von 743,18 € zu gewähren.

Gegen das ihr am 28.06.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.07.2006 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, bei den Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 743,18 € handele es sich nicht um Lohnansprüche des Klägers und mithin auch nicht um insolvenzgeldfähiges Arbeitsentgelt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 07.03.2006 - S 1 AL 1272/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die noch streitigen Kosten in Höhe von 743,18 € seien durch die erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen entstanden. Die beigetriebenen Beträge hätten nach § 367 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet werden müssen. Diese Anrechnung sei vor der Beantragung des Insg erfolgt und habe den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Sie könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Insg-Akte (Insg 2415) Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13.09.2004 und 15.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger weiteres Insg in Höhe von 743,18 € zu gewähren. Ihm stand unter Berücksichtigung der von seinem ehemaligen Arbeitgeber bereits im Zwangsvollstreckungsverfahren geleisteten Zahlungen von insgesamt 4.985,30 € nur noch der von der Beklagten bewilligte und ihm auch ausgezahlte Betrag von 1.389,42 € zu.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und unter anderem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. § 185 Abs. 1 SGB III in der Fassung des ...

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