Entscheidungsstichwort (Thema)

Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens kommt nur in Betracht, wenn beim Betroffenen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlickeit eine Primärschädigung im Sinne einer Impfkomplikation aufgetreten ist. Das erfordert den Nachweis einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung.

2. Ist eine solche gesundheitliche Schädigung im Nachgang einer Impfung nicht erwiesen, so stellt sich die Frage nach einem Kausalzusammenhang zwischen Impfung und Primärschädigung ebenso wenig wie die Frage eines Kausalzusammenhangs zwischen einer Primärschädigung und der geltend gemachten Gesundheitsstörung.

 

Normenkette

IfSG § 60 Abs. 1 S. 1, § 61 Sätze 1-2, § 2 Nr. 11; BSeuchG § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 52 Abs. 1 S. 1; ZPO § 412 Abs. 1; SGG § 118 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.01.2018; Aktenzeichen B 9 V 39/17 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.10.2007 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind für alle Rechtszüge einschließlich des Beschwerdeverfahrens wegen der Nichtzulassung der Revision nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Versorgung nach Impfungen.

Der 1995 geborene Kläger stellte im Oktober 2000 einen Antrag auf Versorgung wegen eines Impfschadens. Nach einer durch den Kinderarzt Dr. B. erfolgten Impfung am 12.07.1995 sei es nach einem Tag zu hohem Fieber, Atemaussetzern und Apathie gekommen. Deswegen habe seine Mutter ihn am 13.07.1995 nochmals Dr. B. vorgestellt. Nach der DTPa (Diphtherie/Tetanus/Pertussis)-Impfung am 15.10.1996 sei es zu Brechdurchfall und Fieber gekommen. Nun bestünden bei ihm eine Mehrfachbehinderung und ein autistisches Syndrom, die Folgen der Impfungen seien. Vor den Impfungen sei er gesund und normal entwickelt gewesen. Das Amt für soziale Angelegenheiten des Beklagten zog die nach dem Schwerbehindertenrecht angefallenen Verwaltungs- und Befundunterlagen bei. Nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wurden durch Bescheid vom 29.09.2000 beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der Behinderung "Autismus, Entwicklungsverzögerung" festgestellt, außerdem die Voraussetzungen der Merkzeichen G, B und H.

Der Kläger wurde von Dr. B am 12.07.1995 gegen DTPa mit Infanrix , gegen Poliomyelitis (Polio) mit Oral-Virelon und gegen Haemophilius Influenzae b (HiB ) mit HiB-Merieux geimpft, am 09.08.1995 gegen DTPa mit Infanrix und am 12.09.1995 gegen DTPa mit Infanrix , gegen HiB mit HiB-Merieux und gegen Polio mit Oral-Virelon . Die Kinderärztin Dr. B impfte den Kläger am 26.08.1996 gegen Masern/Mumps/Röteln (MMR) mit Triplovax und am 15.10.1996 gegen DTPa mit Infanrix , gegen HiB mit HibTiter und gegen Polio mit Polio Vaccinol . Dr. B. impfte den Kläger am 17.02.1997 gegen DTPa mit Infanrix , gegen HiB mit Hib-Merieux und gegen Polio mit Oral-Virelon . Am 15.01.1997, 17.02.1997 und 03.11.1997 impfte Dr. B. den Kläger gegen Hepatitis B mit Gen H-B-Vax .

Das Amt für soziale Angelegenheiten holte einen Befundbericht von Dr. B. und von Dr. B ein, die jeweils weitere Befundunterlagen sowie ihre Patientendokumentation vorlegten. Dr. B. teilte mit, der Kläger sei nach komplikationsloser Schwangerschaft in der 41. Schwangerschaftswoche spontan zur Welt gekommen. Er sei nur vier Wochen gestillt worden. Die Vorsorgeuntersuchungen U1 und U2 hätten keinen pathologischen Befund ergeben. Bei der U3 und U4 (17.05. und 09.08.1995) hätten sich keine Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung gezeigt; bei der U3 habe er Kloni am linken Fuß beobachtet. Nach der DTPa -Impfung vom 12.07.1995 seien ihm Nebenwirkungen der Impfung nicht berichtet worden. Auch nach der ersten Auffrischimpfung am 09.08.1995 und der zweiten Auffrischimpfung am 12.09.1995 seien keine Nebenwirkungen berichtet worden. Am 26.10.1995 habe ihm die Mutter des Klägers eine stuhlgefüllte Windel in die Praxis gebracht. Er habe um Vorstellung des Klägers gebeten, die nicht erfolgt sei. Er habe den Kläger dann erst wieder im Frühjahr 1997 zur U7 gesehen. Hier habe der Kläger eine lebhafte Abwehr gezeigt und sich aus Trotz erbrochen. Die motorischen Meilensteine seien alterstypisch erreicht gewesen. Die Eingewöhnung in den Kindergarten ab November 1998 habe sich dann schwierig gestaltet.

Dr. B. teilte mit, bei der Erstvorstellung des Klägers am 26.10.1995 seien die ersten Impfungen gegen DTPa , HiB und Polio bereits durchgeführt gewesen. Die im Alter von zwölf Monaten durchgeführte Vorsorgeuntersuchung U6 habe einen unauffälligen Befund ergeben. Im August 1996 sei der Kläger gegen MMR sowie am 15.10.1996 im Rahmen der Beendigung der Grundimmunisierung gegen DTPa , HiB und Polio geimpft worden. Der Kläger sei infektfrei zur Impfung gekommen. Im weiteren Verlauf sei...

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