Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 23.02.1987; Aktenzeichen S 2 U 272/84)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.04.1989; Aktenzeichen 2 RU 55/88)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 23.2.1987 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander weder in der 1. noch in der 2. Instanz zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenrente an die Klägerin nach ihrem am … 1929 geborenen und am … 1982 an Merz-Kreislauf-Versagen nach respiratorischer Insuffizienz bei Pneumonie der Restlunge als Folge eines Bronchialkarzinoms mit Metastasen und Zustand nach Pneumenektomie verstorbenen Ehemann (im nachfolgenden als „der Versicherte” bezeichnet).

Der Versicherte war seit 1944 zunächst als Lehrling und dann als Betriebselektriker im Guß- und Armaturenwerk K. beschäftigt. Nach stationären Behandlungen in den Jahren 1981 und 1982 im Krankenhaus R. in H. wurde im März 1982 ein Lungenkrebs als Berufskrankheit angezeigt, wegen dessen Beschwerden der Versicherte seit März 1978 bei Dr. K. – Facharzt für innere Krankheiten – in Behandlung stand.

Der technische Aufsichtsdienst stellte fest, daß der Versicherte bei seiner beruflichen Tätigkeit starken Teerdämpfen, silikogenen Stäuben und Asbeststaub ausgesetzt gewesen sei; es müsse davon ausgegangen werden, daß die betriebliche Tätigkeit geeignet gewesen sei, das Lungenkarzinom auszulösen.

Prof. Dr. D. und Prof. Dr. H. vom Pathologischen Institut der Universität H. berichteten der Beklagten am 12.10.1982 über die histologische Untersuchung vom 14.4.1981 einer der Lunge des Verstorbenen entnommenen Gewebsprobe. Die Beklagte veranlagte daraufhin die Exhumierung der Leiche. Am 10.1.1983 erstattete Oberarzt Dr. W. – Pathologe des Stadt Krankenhauses K. – einen Obduktionsbericht und regte am 19.1.1983 an, Prof. Dr. O. vom Pathologischen Institut der Stadt. Klinken D. zu der Frage zu hören, ob beim Versicherten eine Asbestose vorgelegen habe. Prof. Dr. O. schrieb am 21.3.1983: Bei seinen Untersuchungen seien keine Asbestkörperchen und keine Asbestnadeln nachweisbar gewesen, es bestehe kein Hinweis auf eine Silikose; eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit lasse sich nicht begründen.

Dr. W. erstellte am 22.4.1983 sein Gutachten unter Berücksichtigung der Angaben von Prof. Dr. O.: Er stellte die Diagnose einer ausgedehnten Lungenentzündung, die durch einen hühnereigroßen Abszeß in der Lungenspitze sowie phlegmonöser Fortsetzung auf die anliegenden Weichteile am Halsansatz kompliziert worden seien. Diese Veränderungen seien auf eine Infektion zurückzuführen, die bei dem chemotherapeutisch geschwächten und bestrahlten Patienten infolge einer stark herabgesetzten Abwehrkraft zustandegekommen sei. Dieser Befund sei somit als unmittelt bare Folge des Lungenkrebses zu werten, der Versicherte sei an den Folgen eines operierten Lungenkrebses verstorben. Da Prof. Dr. O. das Vorhandensein einer Silikose oder Asbestose verneint habe, müsse davon ausgegangen werden, daß das Lungenkrebsleiden keine Berufskrankheit darstelle. Dieser Auffassung schloß sich Dr. B. vom Landesgewerbeaufsichtamt Rheinland-Pfalz am 11.7.1983 an.

Prof. Dr. O. teilte der Beklagten am 27.6.1984 mit, daß er sich die im April 1981 entnommenen Präparate nochmals angesehen habe und zu der Überzeugung gelangt sei, daß keine echten Asbestosekörperchen erkennbar seien.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.9.1984 eine Entschädigung aus Anlaß der Berufskrankheit ab und stützte sich auf die Stellungnahme von Prof. Dr. O., das Gutachten von Dr. W. und die Äußerung von Prof. Dr. D..

Im anhängigen Klageverfahren hat das Sozialgericht auf Antrag und Kosten der Klägerin ein Gutachten des Leiters des Instituts und der Poliklinik für Arbeit und Sozialmedizin der J.-L.-Universität G. eingeholt. Prof. Dr. Wo./T. G. führten am 27.12.1985 aus: Die Lungenstaubfaseranalyse mit elektromikroskopischer Auswertung am hiesigen Institut komme zu dem Ergebnis, daß beim Versicherten eine relevatene berufliche Asbeststaubgefährdung bestanden habe, die eindeutig stärker gewesen sei als bei der sogenannten übrigen Bevölkerung. Die gesicherte berufliche Einwirkung von Asbest, Teer und Quarz, zum Teil als „komplexes Schadstoffgemisch”, sei im Hinblick auf die Synergistische und multiplikative Wirkung während einer fast 37-jährigen Einwirkungsdauer nach Art und Umfang geeignet gewesen, den tödlichen Lungenkrebs des Versicherten zumindest wesentlich teilursächlich beim Abwägen aller Gründe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu verursachen.

Nach Anhörung des technischen Aufsichtsdienstes vom 10.10.1985 hat Prof. Dr. Wo. in einem Zusatzgutachten darauf hingewiesen, daß die Lungenstaubfaseranalyse eine erhöhte Konzentration von Asbestfasern aller Längen geliefert habe, so daß deutliche Hinweise auf eine relevante berufliche Asbestfaserstaubgefährdung bestehe.

Hierzu hat Prof. Dr. R. vom Institut f...

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