Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbemessung. Beitragspflicht. geldwerter Vorteil. Pauschsteuer. Übernahme. Steuerschuld. Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Hat der Arbeitgeber wegen der Gewährung geldwerter Vorteile Lohn- und Kirchensteuer nachzuentrichten, und hat das Betriebstättenfinanzamt gemäß § 40 Abs 1 Nr 2 EStG insoweit die Pauschalbesteuerung mit der Folge zugelassen, dass der Arbeitgeber insoweit alleiniger Steuerschuldner ist (§ 40 Abs 3 S 1 EStG ≪aF≫), stellt diese Übernahme der Steuerschuld keinen geldwerten Vorteil (§ 14 SGB 4) dar, welcher der Beitragsbemessung unterliegt.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei Beitragsnachberechnungen aus geldwerten Vorteilen die vom Arbeitgeber übernommene pauschalierte Lohn- und Kirchensteuer als zusätzliches Entgelt zu behandeln ist, welches der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsberechnung unterliegt.
Der Beigeladene zu 1) gewährte bis 1988 seinen in der Kantine, im chemischen Betrieb und beim Werkschutz tätigen Arbeitnehmern während der Nachtschicht jeweils eine für diese kostenlose Mahlzeit. Das Finanzamt ... stellte anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung fest, dass den betroffenen Arbeitnehmern hierdurch geldwerte Vorteile entstanden waren und ließ die nachträgliche Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu. In den Jahren 1987 und 1988 betrugen die Aufwendungen für die genannten Mahlzeiten insgesamt 37.080,00 DM. Der Beigeladene zu 1) zahlte hierfür 14.282,00 DM pauschale Lohn- und Kirchensteuer sowie 12.347,61 DM Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach.
Nach einer Prüfung im Rahmen der Beitragsüberwachung nach § 28 p Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) blieb zwischen der Klägerin und der Beklagten streitig, ob die Lohn- und Kirchensteuer, die aus den pauschal besteuerten geldwerten Vorteilen aufgrund kostenloser Essensgewährung von der Beigeladenen zu 1) gezahlt wurde, als weiterer geldwerter Vorteil dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und der Beitragspflicht zu unterwerfen ist. Nachdem eine Einigung nicht erzielt werden konnte und die Beigeladene zu 1) insoweit auf die Einrede der Verjährung verzichtet hatte, forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 23.6.1994 auf, aus dem Steuerbetrag insgesamt 4.755,91 DM Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Jahre 1987 und 1988 von der Beigeladenen zu 1) nachzuerheben. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26.9.1994 und 1.2.1995 ab.
Am 26.10.1995 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die streitbefangenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge von der Beigeladenen zu 1) nachzuerheben. Das Sozialgericht Speyer hat der Feststellungsklage mit Urteil vom 30.1.1998 ohne Beiladung des Arbeitgebers und der Bundesanstalt für Arbeit stattgegeben.
Gegen das der Beklagten am 19.2.1998 zugestellte Urteil des SG hat diese am 4.3.1998 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, dem Urteil des SG könne nicht gefolgt werden. Die Entscheidung der Finanzbehörde über die Pauschalbesteuerung führe nicht dazu, dass sich rückwirkend die Berechnungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge um den vom Arbeitgeber übernommenen Steuerbetrag erhöhe. Anders als bei der Nettolohnvereinbarung erhöhe sich dabei nicht der steuer- bzw beitragspflichtige Arbeitslohn um den Betrag der vom Arbeitgeber getragenen Lohn- bzw Kirchensteuer. Die Höhe der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer stehe überhaupt nicht fest. Es möge zwar sein, dass die Übernahme der Pauschalsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein könne. Ein solcher Vorteil sei aber immer nur dann zu den Einnahmen iSv § 14 Abs 1 SGB IV zu zählen, wenn er individuell feststehe; denn nur tatsächlich erzielte Einnahmen gehörten zum Bruttoarbeitsentgelt iS der genannten Vorschrift, nicht dagegen fiktive oder pauschalierte Vorteile. Die Übernahme der Lohn- und Kirchensteuer durch den Arbeitgeber führe nur dann zu tatsächlichen Einnahmen des Arbeitnehmers, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden sei oder der Arbeitgeber zwecks Steuer- und Beitragshinterziehung die Unmöglichkeit einer späteren Rückbelastung beim Arbeitnehmer bewusst in Kauf genommen habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Speyer
vom 30.1.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und trägt vor, die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung richte sich danach, ob die Pauschalsteuer im Steuerrecht als Arbeitslohn beurteilt werde (Hinweis auf BSG 21.8.1997 -- 12 RK 44/96, BSGE 81, 21). Grundsätzlich sei demnach die Pauschalsteuer nicht als Arbeitslohn anzusehen; lediglich in den Fällen des § 40 Abs 1 Satz 2 Einko...