Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Entscheidung durch Krankenhausarzt
Orientierungssatz
1. Notwendig ist eine Krankenhausbehandlung stets dann, wenn sie aus der vorausschauenden Sicht des Krankenhausarztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt. Stehen mehrere Behandlungsalternativen zur Verfügung, so ist dem entscheidenden Krankenhausarzt auch ein therapeutischer Spielraum einzuräumen, sofern nicht eine bestimmte Behandlungsmethode unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig den Vorzug verdient.
2. Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeutet, dass es nicht ausreicht, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren Krankenhausaufenthalt entbehrlich erscheinen lassen, sondern dass zu prüfen ist, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen, weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten gewährleistet werden kann. Die Problematik wird besonders deutlich, wenn ein Patient aufgrund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitszustands einstweilen oder auf Dauer nicht mehr in die eigene Wohnung zurückkehren kann, in der er vor dem Krankenhausaufenthalt gelebt hat. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus kommt in solchen Fällen erst in Betracht, wenn geklärt ist, wo der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung leben bzw wohnen wird und ob dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt ist.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die restlichen Kosten einer Krankenhausbehandlung.
Der 1961 geborene und bei der Beklagten versicherte I G (Versicherter) leidet an einer langjährigen Alkoholabhängigkeit und an einer Minderbegabung. Er befand sich seit 1998 mehrfach zur Alkoholentgiftung in stationärer Krankenhausbehandlung im zugelassenen Krankenhaus der Klägerin, zuletzt vom 22.12.2002 bis 02.01.2003.
Am 06.01.2003 wurde er von der Polizei in einer hilflosen Lage aufgefunden und zur Verwahrung in das Krankenhaus der Klägerin verbracht. Nach Alkoholentgiftung und psychischer Stabilisierung wurde er am 02.04.2003 in das Pflegezentrum I-O entlassen.
Nachdem der als Betreuer eingesetzte Bruder des Versicherten die Ausübung der weiteren Betreuung ablehnte, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar (AG) vom 09.01.2003 Rechtsanwalt P zum Verfahrenspfleger bestellt. Die Klägerin regte gegenüber dem Verfahrenspfleger und dem Amtsgericht mit Schreiben vom 03. und 04.02.2003 die dauerhafte Unterbringung des Versicherten in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung an. Mit Schreiben vom 24.02.2003 teilte die Klägerin dem Verfahrenspfleger mit, dass zwar ein Heimplatz vorhanden, jedoch die Kostenübernahme wegen des Fehlens eines neuen Betreuers nicht geklärt sei.
Die Amtsgerichte Pirmasens und Wetzlar ordneten mit Beschlüssen vom 05.02.2003 und 17.03.2003 die vorläufige Unterbringung des Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung an. Mit Bescheid vom 07.03.2003 bestellte das AG Wetzlar Herrn P D als Betreuer des Versicherten und mit Beschluss vom 28.03.2003 genehmigte es die Unterbringung des Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 27.03.2004. Der Betreuer teilte der Klägerin am 31.03.2003 mit, dass das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung noch nicht über die Kosten der Heimunterbringung entschieden habe, weshalb eine Verlegung noch nicht möglich sei.
In der Entlassungsanzeige der Klägerin vom 14.04.2003 waren die ICD-10-Diagnosen F 71.1 (Mittelgradige Intelligenzminderung, deutliche Verhaltensstörung, die Beobachtung und Behandlung erfordert), F 10.3 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Entzugsyndrom), F 10.2 (Abhängigkeitssyndrom), F 23.3 (Akute vorübergehende psychotische Störungen) und T 24.3 (Verbrennung dritten Grades der Hüfte und des Beines) aufgeführt. Am 14.01.2003 erfolgten operative Hauttransplantationen.
Die Beklagte erteilte eine Kostenzusage bis 15.01.2003 und zog eine Stellungnahme vom 23.05.2003 des Dr. L vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bei, der die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung bis 24.01.2003 für gegeben erachtete. Aufgrund einer Stellungnahme vom 18.06.2003 der Ärzte der Klägerin Dr. R/Dr. B/G und einer von der Beklagten beigezogenen Stellungnahme des Dr. H vom 11.08.2003 übernahm die Beklagte die Kosten der stationären Behandlung des Versicherten bis 28.02.2003 (Schreiben vom 26.08.2003).
Die Rechnungen der Klägerin vom 05.02.2003 und vom 06.03.2003 (Eingang am 07.03.2003) über Basis- und Abteilungspflegesätze bis 28.02.2003 bezahlte die Beklagte bis auf einen Betrag von 229,81 € für den 28.02.2003. Die weitere Rechnung vom 1...