Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. implantologische Leistungen. Kostenübernahme für professionelle Zahnreinigung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind die Voraussetzungen einer Ausnahmeindikation für die Versorgung mit Zahnimplantaten (§ 28 Abs 2 S 9 SGB 5 iVm der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung ≪juris: ZÄVersorgRL≫) erfüllt, hat der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung dem Versicherten auch eine professionelle Reinigung der Implantate zu gewähren, wenn diese medizinisch notwendig ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2011; Aktenzeichen B 1 KR 17/10 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.11.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine professionelle Reinigung von Zahnimplantaten zu gewähren.

Die 1953 geborene Klägerin hatte im November 2001 einen Verkehrsunfall mit schwersten Verletzungen, auch im Gesichtsbereich, erlitten. Die Beklagte gewährte ihr im Jahr 2003 die Versorgung mit je vier Implantaten im Ober- und Unterkiefer, an die ein entsprechender Zahnersatz befestigt wurde. Diese Bewilligung beruhte auf einem Gutachten des Zahnarztes Dr B vom Oktober 2002.

Im März 2004 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten einer professionellen Reinigung der Implantate. Die Beklagte lehnte diesen Antrag unter Berücksichtigung eines Gutachtens des Zahnarztes Dr G vom August 2004 ab. Dr G hatte ua dargelegt: Ein implantatgetragener Zahnersatz müsse so gestaltet sein, dass er vom Patienten ausreichend gereinigt und gepflegt werden könne. Die Unmöglichkeit einer Reinigung durch den Patienten könne an der Ausgestaltung des Zahnersatzes oder an der mangelnden Pflegebereitschaft des Patienten liegen; in beiden Fällen bestehe keine Leistungspflicht der Krankenkasse.

Im November 2005 wiederholte die Klägerin ihren Antrag auf Gewährung einer professionellen Implantatreinigung. Sie fügte den Entwurf einer privaten Behandlungsvereinbarung mit dem Zahnarzt Dr S über die Reinigung der Implantate zu einem Gesamtbetrag von 503,06 € bei. Durch Bescheid vom 14.11.2005 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr G ab. Dieser Bescheid ging der Klägerin nach deren Angaben zunächst nicht zu.

Die Beklagte bat danach das Zahnreferat des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein um weitere Aufklärung des Sachverhalts. Dieses veranlasste eine Begutachtung durch den Zahnarzt MedDIr Dr Dr W , der in seinem Gutachten vom Dezember 2005 darlegte: Das Entfernen harter und weicher Zahnbeläge bei implantatgetragenen Suprakonstruktionen sei zweckmäßig. Zum Entfernen der Zahnbeläge sei jedoch die Abnahme und Wiedereingliederung der Suprakonstruktionen nicht zwingend erforderlich. Daraufhin wies die Beklagte in einem Schreiben vom 27.1.2006 die Klägerin auf den bereits unter dem 14.11.2005 ergangenen Bescheid hin und übersandte diesen der Klägerin erneut. Sie wies den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.6.2006 (der Klägerin zugegangen am 7.7.2006) zurück, da eine professionelle Implantatreinigung keine Leistung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung darstelle.

Am 7.8.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat von Amts wegen ein Gutachten des Zahnarztes Dr K vom August 2007 eingeholt, der dargelegt hat: Die professionelle Implantatreinigung sei auch bei optimaler Zahnpflege durch die Klägerin medizinisch erforderlich. Bei nicht regelmäßig durchgeführter Reinigung könnten Mikroorganismen Entzündungen hervorrufen, die zu Knochen- und Zahnfleischrückgang und dadurch zum Implantatverlust führen könnten. Zudem könne ohne professionelle Reinigung im Mikrospaltraum zwischen Krone und Implantat und im Schraubenkanal eine sog Spaltkorrosion entstehen, welche die Implantate und Suprakonstruktionen auf Dauer stark schädigen würde. Eine Abnahme des Zahnersatzes und Reinigung durch die Klägerin selbst sei nicht möglich, da die Schrauben äußerst grazil seien und nur mit speziellen Schraubendrehern und Drehmomentschlüsseln ein- bzw ausgeschraubt werden könnten. Über die Häufigkeit einer professionellen Implantatreinigung müsse individuell durch den Behandler entschieden werden.

Nach Angaben der Klägerin hat diese die Implantatreinigung bisher aus Kostengründen nicht durchführen lassen; sie habe jedoch regelmäßig, zweimal pro Jahr, die Entfernung harter Zahnbeläge außerhalb des Bereichs der Implantate durchführen lassen; die Beklagte habe insoweit die Kosten einer jährlichen Reinigung übernommen.

Durch Urteil vom 27.11.2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, die Kosten einer professionellen Implantatreinigung bei der Klägerin zu übernehme...

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