Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern. Betreutes Wohnen. Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Zeitraum nach Verlassen Betreuten Wohnens

 

Orientierungssatz

1. Der Erstattungsanspruch des örtlich zuständigen Sozialhilfeträgers ergibt sich aus der zwischen dem Landkreistag Rheinland-Pfalz und dem Städtetag Rheinland-Pfalz am 18.11.1997 geschlossenen Vereinbarung über die Kostenerstattung bei der Finanzierung des Betreuten Wohnens behinderter Menschen (Vereinbarung 1997) iVm § 103 BSHG.

2. Gem Ziff 1 Buchst a der Vereinbarung 1997 wird Betreutes Wohnen auch in Form eines Einzelwohnens gefördert.

3. Dass ein Sozialhilfeempfänger rund um die Uhr betreut und versorgt werden muss, schließt ihn nicht von dem Betreuten Wohnen aus.

4. Der Kostenerstattungsanspruch gem Ziff 2 S 5 der Vereinbarung 1997 iVm § 103 Abs 3 S 1 BSHG erstreckt sich auch auf Zeiträume nach dem Verlassen des Betreuten Wohnens.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.11.2010; Aktenzeichen B 8 SO 51/10 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 07.10.2008 - S 6 SO 46/07 - abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 181.613,81 € zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt noch die Erstattung von Sozialhilfeleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.12.2007.

Bei der 1984 geborenen Hilfeempfängerin S P besteht eine spinale Muskeldystrophie, die dazu geführt hat, dass sie ihre Extremitäten nicht mehr bewegen kann und ihre Atmung erheblich beeinträchtigt ist. Sie muss nachts beatmet und umgelagert werden. Alle Verrichtungen des täglichen Lebens müssen von einer Pflegeperson übernommen werden; der vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) festgestellte Pflegebedarf (Gutachten vom 29.05.2002) bedingt eine Schwerstpflegebedürftigkeit. Sie kann sich mit einem Elektrorollstuhl selbständig fortbewegen.

Die Hilfeempfängerin lebte bis Ende März 2003 bei ihrer Mutter im Bereich des Beklagten, welcher ihr Hilfe zum Lebensunterhalt (Regelbedarf, Mehrbedarf und Kosten der Unterkunft) gewährte. Im April 2003 zog sie nach T in den Bereich des Klägers, da sie ein Studium an der Universität T aufnahm. Der Kläger bewilligte ihr seit April 2003 Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe für die Betreuung während des Studiums. Außerdem gewährte ihr der Kläger seit April 2003 Leistungen des Betreuten Wohnens nach der Vereinbarung über die Finanzierung des Betreuten Wohnens in Rheinland-Pfalz bis 30.09.2004. Die Hilfeempfängerin schied zu diesem Zeitpunkt auf eigenen Wunsch aus dem Betreuten Wohnen aus. Leistungen in Form eines persönlichen Budgets erhielt sie vom 01.04.2004 bis 30.09.2004.

Auf Anfrage des Klägers erkannte der Beklagte mit Schreiben vom 09.12.2003 eine Kostenerstattungspflicht für Einzelfallhilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), für die Betreuungs- und Sachkostenpauschalen, soweit sie vom zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger gewährt werden und für die Kostenbeteiligungsaufwendungen nach § 7 AGBSHG bei gleichzeitigem Besuch einer teilstationären Einrichtung an.

Der Kläger machte die Erstattung der Eingliederungshilfe in Höhe von (iHv) 1.482,56 € und der Hilfe zur Pflege iHv 61.736,37 € für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.11.2003 (Schreiben vom 14.01.2004), der Eingliederungshilfe iHv 1.924,07 € und der Hilfe zur Pflege iHv 55.649,04 € für den Zeitraum vom 01.12.2003 bis 30.06.2004 (Schreiben vom 19.07.2004), der Eingliederungshilfe iHv 570,00 € und des persönlichen Budgets iHv 600,00 € vom 01.07. bis 30.09.2004 sowie der Hilfe zur Pflege iHv 32.577,96 € für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.10.2004 geltend und berichtigte die Forderung der Eingliederungshilfe für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.12.2003 durch Erteilung einer Gutschrift von 68,76 € (Schreiben vom 03.12.2004). Mit Schreiben vom 27.09.2006 errechnete der Kläger eine Forderung für den Zeitraum vom 01.04.2003 bis 30.09.2004 iHv 123.812,15 € unter Berücksichtigung einer vom Landesamt für Jugend und Soziales erhaltenen Erstattung von Kosten iHv 24.170,04 € für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.09.2004. Der Beklagte zahlte Beträge iHv 75.116,40 € (Schreiben vom 26.07.2006) und von 47.847,38 € (Schreiben vom 08.11.2007). Der Kläger erklärte sich mit der Höhe des von dem Beklagten gezahlten Erstattungsbetrags einverstanden und bat um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht über den 30.09.2004 hinaus (Schreiben vom 13.11.2007). Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2007 ab. Es sei eine Erstattung von Kosten nur für die Zeit des Betreuten Wohnens vorgesehen.

In Rheinland-Pfalz haben das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit (MASFG) und der Landkreistag Rheinland-Pfalz sowie der Städtetag Rheinland-Pfalz am 23.11.2004 einen ab 01.01.2005 geltenden Vertrag über die Förderung des Betreuten Wohnens behinderter Menschen (Vertrag) geschlossen, wonach sich das Land an den Kosten der Förderung des Bet...

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