Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. Versicherungsfreiheit. Vorstandsmitglied einer AG

 

Orientierungssatz

1. Vorstandsmitglieder einer AG sind nicht abhängig gegen Entgelt beschäftigt (vgl BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R = BSGE 85, 214 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48). Mitglieder des Vorstands einer AG gehören nach § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 zu den in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfreien Personen.

2. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften haben allein aufgrund ihrer Stellung als Vorstandsmitglied eine unternehmerähnliche, unabhängige Position im Unternehmen. Sie leisten keine weisungsgebundenen Dienste, sondern erteilen als Organ der Gesellschaft vielmehr solche Weisungen. Ihre Organstellung ist arbeitgeberähnlich ausgestaltet (vgl BSG vom 22.4.1987 - 10 RAr 6/86 = BSGE 61, 282 = SozR 4100 § 141a Nr 8). Diese rechtliche Beurteilung gilt für alle Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften unabhängig von deren Größe und unabhängig davon, ob das Vorstandsmitglied am Kapital der AG beteiligt ist.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld (InsG) für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.05.2003.

Am 05.02.1999 wurde die HWS T AG gegründet und zum Vorstand Herr H K bestellt. Nach § 5 der Satzung besteht der Vorstand der Gesellschaft aus einer oder mehreren Personen. Der Aufsichtsrat bestimmt die Zahl der Vorstandsmitglieder und die Person des Vorstandsvorsitzenden sowie ggfs seines Stellvertreters. Ist nur ein Vorstandsmitglied bestellt, vertritt dieses alleine die Gesellschaft. Sind mehrere Vorstandsmitglieder bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Mitglieder des Vorstands gemeinschaftlich oder durch ein Mitglied des Vorstands in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten (§ 6 der Satzung). Am 01.06.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet.

Mit Vertrag vom 19./30. November 2001 wurde der 1960 geborene Kläger ab 01.12.2001 gemäß dem Beschluss des Aufsichtsrats der AG vom 12.11.2001 zum Vorstand bestellt. Er leitete die Bereiche Marketing, Vertrieb, operatives Geschäft und kaufmännische Verwaltung und wurde Sprecher des Vorstandes. Feste Arbeits- und Anwesenheitszeiten waren nicht festgelegt. Der Vertrag enthielt u. a. die weiteren Regelungen der Zahlung einer Vergütung von 16.500,00 DM monatlich zuzüglich einer ergebnisabhängigen Tantieme und die Gewährung eines Firmenfahrzeuges, eine Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und eines jährlichen Erholungsurlaubs von 30 Arbeitstagen, der mit den Kollegen abzustimmen und von welchem der Vorsitzende des Aufsichtsrats vorher zu informieren war.

Am 12.12.2001 erfolgte die Eintragung des Rechtsverhältnisses des Klägers mit der AG in das Handelsregister und die Löschung des bisherigen Vorstands Herrn H K. Im Zeitraum vom 22.01.2002 bis 14.01.2003 war Herr A K zum weiteren Vorstandsmitglied bestellt. Der Kläger hielt keine Anteile am Gesellschaftskapital.

Im Aufsichtsratsbeschluss vom 22.01.2002 wurde eine Kontrolle der Arbeitszeiten der neuen Vorstände festgelegt. Mit Schreiben vom 23.01.2002 teilte der Vorsitzende des Aufsichtsrates dem Kläger mit, dass er eine Kernarbeitszeit von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr einzuhalten habe.

Das Vertragsverhältnis des Klägers zu der AG endete zum 30.06.2003. Das Gehalt für März 2003 wurde ihm ausgezahlt, jedoch nicht für Januar, Februar, April und Mai 2003.

Sein Antrag vom 18.06.2003 auf Zahlung von InsG lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 08.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2003 ab. Als Vorstand der AG sei er nicht Arbeitnehmer.

Das Sozialgericht Mainz (SG) hat die Klage mit Urteil vom 22.09.2005 abgewiesen. Dem Kläger stehe mangels Arbeitnehmereigenschaft kein Anspruch auf InsG zu. Ihm komme als Vorstand der AG eine Organstellung zu und er übe Arbeitgeberfunktionen aus.

Gegen das ihm am 06.10.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.11.2005 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, dass auch Organe von juristischen Personen nicht von vornherein der insolvenzrechtliche Schutz abgesprochen werden könne. Er sei weitgehend den Weisungen und Anordnungen des Aufsichtsrates unterworfen, in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen, habe eine Kernarbeitszeit einzuhalten gehabt, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auch während seines Urlaubs erhalten und habe Urlaub erst nach Abstimmung und Genehmigung durch den Aufsichtsrat nehmen dürfen. Die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses mit persönlicher Abhängigkeit spreche für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer in leitender Stellung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 22.09.2005 - S 9 AL 372/03 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld nach den gesetzlichen Bestimmungen für den Zeitraum vom 01.04.2003 bis 31.05.2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die...

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