Leitsatz (amtlich)
Der Rettungssanitäter steht dem Krankenpfleger so nahe, daß er diesem sozialversicherungsrechtlich gleichzustellen ist. Als fachlich geschulter Mitarbeiter der im Rettungsdienst eingesetzten Sanitätsorganisationen übt er eine aus verschiedenen Elementen zusammengesetzte, aber einem einheitlichen Zweck dienende Tätigkeit aus, die nach ihrem Gesamtbild als (Angestellten-) Beruf der - gehobenen - Krankenpflege anzusehen ist.
Orientierungssatz
1. Derartige Rettungssanitäter gehören zum Personenkreis des AVG § 3 Abs 1 Nr 6 und sind deshalb versicherungspflichtig in der AnV.
2. Rettungssanitäter können daher Mitglied der BEK werden.
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 20.01.1976; Aktenzeichen S 3 K 43/74) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20. Januar 1976 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die den beigeladenen Rettungssanitätern entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu ersetzen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladenen G., Ka., K., R. und Sch. sind bei dem zum Verfahren ebenfalls beigeladenen Kreisverband Neustadt a.d.W. des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) als Rettungssanitäter beschäftigt. Mit dem Bestehen ihrer Abschlußrüfungen vor der zuständigen Prüfungskommission in Mainz zwischen September 1973 und Juni 1974 haben sie Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten sowie anderer verletzter, kranker oder sonstiger hilfsbedürftiger Personen – unter besonderer Berücksichtigung der Reanimation – nachgewiesen. Nachdem sie bis zum 31. Juli 1974 bei der Klägerin pflichtversichert waren, traten sie mit Wirkung vom 1. August 1974 der Beklagten bei. Gleichzeitig meldete sie der DRK-Kreisverband bei der Klägerin ab.
Mit ihrer am 9. August 1974 beim Sozialgericht (SG) Speyer erhobenen Klage hat die Klägerin die Mitgliedschaft der beigeladenen Rettungssanitäter bei der Beklagten angefochten und begehrt festzustellen, daß diese weiterhin ihre Mitglieder seien. Sie hat ausgeführt: Trotz besonderer Ausbildung und erweiterten Tätigkeitsfeldes sei das im Krankentransport eingesetzte Sanitätspersonal sozialversicherungsrechtlich weiterhin als Arbeiter anzusehen. Die von Rettungssanitätern im Einzelfall zu leistende Erste Hilfe falle zeitlich gegenüber den Transportaufgaben kaum ins Gewicht und gebe der Gesamttätigkeit nicht das Gepräge; die körperliche Arbeit überwiege; lebensrettende Maßnahmen seien nur in Ausnahmefällen erforderlich. Dieser Darstellung der Klägerin haben sich die beigeladenen Rentenversicherungsträger angeschlossen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Gemessen an der Bedeutung der ihnen übertragenen krankenpflegerischen Aufgaben sei es gerechtfertigt, die Rettungssanitäter sozialversicherungsrechtlich als Angestellte zu behandeln. Die reine Fahrertätigkeit müsse hinter der Begleitung und Betreuung der Patienten in den Hintergrund treten. Sie sei mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung der Ansicht, daß sich der Beruf des Rettungssanitäters nach Ausbildung und Inhalt vom einfachen Rettungsdienst abhebe und in die Nähe des Krankenpflegerberufs rücke.
Ebenso wie der DRK-Kreisverband haben auch die beigeladenen Rettungssanitäter die Auffassung der Beklagten geteilt. Sie haben ihre Verantwortung im Vergleich zu den als Angestellten eingestufen Krankenpflegern teilweise noch höher eingeschätzt, weil sie in Notfällen eigenverantwortlich über die Durchführung lebensrettender Maßnahmen entscheiden müßten.
Durch Urteil vom 20. Januar 1976 hat das SG Speyer die Klage abgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, auch wenn die bei Notfällen erforderliche eigenverantwortliche Tätigkeit des dazu speziell ausgebildeten Rettungssanitäters im Vergleich zu dessen sonstigen Aufgaben zahlenmäßig in den Hintergrund träte, werde dieser Beruf gerade dadurch geprägt. Auf das Verhältnis zwischen einfachen Krankentransporten und Nottransporten könne es nicht ankommen. Es sei auch nicht einzusehen, warum der Rettungssanitäter anders als der Krankenpfleger behandelt werden solle.
Gegen dieses ihr am 29. Januar 1976 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 25. Februar 1976 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor:
Das SG habe versäumt festzustellen, welche Tätigkeit bei den Rettungssanitätern überwiege. Für deren versicherungsrechtliche Zuordnung komme es nicht auf die Ausbildung, sondern darauf an, ob sie eine Arbeiter- oder eine Angestelltentätigkeit ausübten. Eine gefestigte bundeseinheitliche Verkehrsanschauung darüber, zu welchem Personenkreis die Rettungssanitäter zu rechnen seien, liege noch nicht vor; ggf. müsse der Senat ein berufskundliches Sachverständigengutachten über diese Frage einholen. Es sei deshalb Beweis darüber zu erheben, in welchen Fällen die beigeladenen Rettungssanitäter seit dem 1. Juli 1974 welche lebensretten...