Leitsatz (amtlich)

Hat das Sozialgericht, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, durch künftiges Wohlverhalten seine Eignung zum Kassenzahnarzt erneut unter Beweis zu stellen, gleichzeitig mit der Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Entzugs der Kassenzulassung angeordnet, daß eine vorzeitige Terminierung der Sache nur erfolgen solle, wenn der beklagte Berufungsausschluß neue Fälle eines Fehlverhaltens des Klägers vortrage, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte nach dreijährigem Stillschweigen und trotz Wohlverhaltens des Klägers bei seiner kassenärztlichen Tätigkeit im Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten weiterhin Abweisung der gegen die Entziehung der Kassenzulassung erhobenen Klage begehrt, auch wenn dies ursprünglich zu Recht beantragt war.

 

Normenkette

RVO § 368a Abs. 6; ZOZ § 27; BGB § 242

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 04.06.1975; Aktenzeichen S 13 Ka 4/72)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer –Zweigstelle Mainz – vom 4. Juni 1975 wird mit der Maßnahme zurückgewiesen, daß der Beklagte dem Kläger nur die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten hat.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung streiten die Beteiligten um die wiederholte Entziehung der Kassenzulassung des Klägers.

Der 1904 geborene Kläger war seit 1931 an verschiedenen Orten als Dentist und später als Zahnarzt tätig. Dabei kam es wiederholt zu Beanstandungen seiner Kassenabrechnungen. Im November 1949 wurde er von der Kassendentistischen Vereinigung – Landesstelle W. – mit einem schweren Verweis und einer Unterwerfungsbuße von 300,– DM belegt, weil er unberechtigt für bei Privatpatienten eingegliederte Zahnprothesen Kassenzuschüsse beantragt und in Empfang genommen hatte. Im Mai 1951 wurde er durch Beschluß der gleichen Stelle auf die Dauer von zwei Jahren von der Zulassung zur Ersatzkassentätigkeit für den Verband der Angestelltenkrankenkassen (Vd.A.K) ausgeschlossen, weil er eine nicht ausgeführte Zahnersatzarbeit abgerechnet hatte. Im Mai 1952 wurde er außerdem verwarnt, weil er die von einer Ortskrankenkasse erhobenen Vorwürfe, gegen Vertragsbestimmungen verstoßen zu haben, nicht entkräften konnte. Ein im August 1954 auf Antrag des Verbands der Ortskrankenkassen W.-L. eingeleitetes Verfahren zur Entziehung der Kassenzulassung endete nach zunächst ablehnender Entscheidung des zuständigen Schiedsamts dadurch, daß der Kläger Mitte 1956 seine Praxis in die Pfalz verlegte. Dort wurde er durch Beschluß des Disziplinarausschusses der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Pfalz vom 17. September 1958 mit einer Geldbuße von 400,– DM belegt, weil er umfangreiche zahnärztliche Leistungen bei zwei Patienten, die er in Wirklichkeit nicht ausgeführt hatte, als erbracht geltend gemacht hatte. Im Mai 1960 ordnete der Vd.A.K-Beteiligungsausschuß bei der KZV Pfalz von Amts wegen das Erlöschen der Beteiligung des Klägers an der Vd.A.K-Praxis ein. Dabei wurde dem Kläger zum Vorwurf gemacht, in drei Fällen bewußt nicht eingegliederte Kronen oder Anhänger und nicht vorgenommene Füllungen abgerechnet zu haben. Im Februar 1972 wurde der Kläger ferner vom Berufsgericht für Zahnärzte der Pfalz mit einem Verweis bestraft, weil er im Zusammenwirken mit einer ehemaligen Patientin bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) die Erneuerung eines Stiftzahns vorgetäuscht hatte. Nachdem die AOK Z. den Kläger im Mai 1963 erneut beschuldigte, in drei Fällen unberechtigt Zahnersatzzuschüsse abgerechnet zu haben, wurde dem Kläger mit Beschluß des Zulassungsausschusses für Zahnärzte in der Pfalz vom 22. Januar 1964 gemäß § 27 der Zulassungsordnung für Zahnärzte (ZOZ) vom 28. Mai 1957 (RGBl. I 582) in Verbindung mit § 368 a Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Kassenzulassung entzogen. Widerspruch, Klage, Berufung und Revision des Klägers blieben ohne Erfolg. Sie wurden mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. April 1964, Urteil des Sozialgerichts Speyer – Zweigstelle Mainz – vom 9. September 1964 – S 15 Ka 11/64 – Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Oktober 1965 – L 3 Ka 2/64 – und Beschluß des Bundessozialgerichts vom 7. November 1967 – 6 RKa 8/66 – zurückgewiesen, bzw. als unzulässig verworfen. Nachdem der Kläger sich im Juli 1968 erfolglos um eine neue Kassenzulassung für H. bemüht hatte, erfolgte mit Beschluß des Zulassungsausschusses vom 13. November 1968 seine Wiederzulassung für Z.. Der Zulassungsausschuß vertrat dabei die Auffassung, dem Kläger solle ein neuer Start ins Berufsleben nicht mit ständigem Hinweis auf zurückliegende Vorkommnisse versagt werden. Bei der geringsten künftigen Unregelmäßigkeit müsse er jedoch mit einem erneuten Entziehungsverfahren rechnen.

Am 22. Februar 1971 beantragte die Arbeitsgemeinschaft der Pfälzischen Ortskrankenkassen beim Zulassungsausschuß die nunmehr streitige erneute Entziehung der Kassenzulassung des Klägers. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe in dem bei der AOK Z. ei...

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