Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Nichtvorliegen einer vor- und nachstationären Behandlung bei Portimplantation zur Durchführung mehrerer Chemotherapien
Leitsatz (amtlich)
Eine vorstationäre Leistung iSd § 115a SGB 5 liegt bei einer Portimplantation zur Durchführung mehrerer Chemotherapien auch dann nicht vor, wenn bereits am Tag nach der Portimplantation die erste Chemotherapie erfolgt.
Orientierungssatz
Eine Portimplantation stellt auch keine nachstationäre Behandlung iSd § 115a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5 dar.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 7.9.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist ein Anspruch auf Vergütung einer ambulanten Operation in Höhe von 395,63 €.
Bei dem bei der Beklagten krankenversicherten R… W… war während eines stationären Aufenthalts vom 22.3.2010 bis zum 1.4.2010 in dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen K… Klinikum M… , dessen Trägerin die Klägerin ist, eine bösartige Neubildung am Magen diagnostiziert worden. Am 7.4.2010 wurde ihm in der Klinik der Klägerin ambulant ein Portsystem implantiert. Danach erhielt der Versicherte anlässlich einer stationären Behandlung vom 8.4.2010 bis zum 9.4.2010 im Krankenhaus der Klägerin die erste Chemotherapie.
Die Klägerin verlangte unter dem 19.4.2011 für die Implantation des Portsystems am 7.4.2010 eine Vergütung in Höhe von 395,63 € auf der Grundlage des § 115b SGB V. Zur Begründung ihrer Ablehnung dieses Vergütungsbegehrens machte die Beklagte geltend: Die Behandlung am 7.4.2010 sei als vorstationäre Behandlung im Sinne des § 115a Abs 1 Nr 1 SGB V Bestandteil der danach vom 8.4. bis 9.4.2010 durchgeführten stationären Behandlung gewesen. Die Klägerin habe daher über die Fallpauschale für die stationäre Behandlung vom 8.4. bis 9.4.2010 hinaus keinen Vergütungsanspruch. Die Einordnung der am 7.4.2010 erbrachten Behandlung als Leistung nach § 115b SGB V durch die Klägerin sei unzutreffend. Der Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus - (AOP-Vertrag) ziele nach seinen einleitenden Grundsätzen darauf ab, auf der Basis des § 39 SGB V zur Vermeidung nicht notwendiger vollstationärer Krankenhausbehandlung eine patientengerechte und wirtschaftliche Versorgung zu sichern. Durch die Behandlung am 7.4.2010 sei jedoch keine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden, sondern die stationäre Behandlung vom 8. bis 9.4.2010 vorbereitet worden.
Am 22.9.2011 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Portimplantation sei im Verhältnis zu den stationären Aufenthalten vom 22.3.2010 bis zum 1.4.2010 und vom 8.4.2010 bis zum 9.4.2010 als eigenständiger Eingriff zu werten, der weder mit der vorangegangenen noch mit der nachfolgenden stationären Behandlung in zwingender Verbindung stehe. Sie sei ein Eingriff aus dem Katalog “Ambulantes Operieren„ und zu jedem beliebigen Zeitpunkt unabhängig von einem stationären Aufenthalt möglich gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei keine vorstationäre Behandlung im Sinne des § 115a Abs 1 Nr 1 SGB V durchgeführt worden. Zudem fehle es an einer ärztlichen Verordnung von Krankenhausbehandlung vor der Behandlung am 7.4.2010, die zwingende Voraussetzung einer vorstationären Behandlung im Sinne des § 115a Abs 1 Nr 1 SGB V sei.
Die Beklagte hat vorgetragen: Die am 7.4.2010 erbrachte Leistung sei nicht über die Vorbereitung der sich anschließenden stationären Behandlung vom 8. bis 9.4.2010 hinausgegangen. Die Implantation des Ports habe den alleinigen Zweck gehabt, die nachfolgende Chemotherapie am 8./9.4.2010 durchführen zu können. Aus § 4 Abs 2 des AOP-Vertrages gehe der Vorrang des § 115a SGB V gegenüber dem § 115b SGB V hervor. Dem Fehlen einer ärztlichen Verordnung für die Behandlung am 7.4.2010 komme im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Vielmehr reiche insoweit die Verordnung für den vorausgegangenen stationären Krankenhausaufenthalt vom 22.3. bis 1.4.2010 aus. In ihrer Rechtsauffassung sehe sie sich durch das Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 20.12.2011 (S 10 KR 7524/10) bestätigt.
Durch Urteil vom 7.9.2012 hat das SG Mainz die Beklagte verurteilt, der Klägerin 395,63 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.5.2011 zu zahlen, und zur Begründung ausgeführt: Der Anspruch der Klägerin beruhe auf § 115b Abs 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit dem AOP-Vertrag. Die vorliegend durchgeführte Krankenhausbehandlung sei als ambulante Operation iSd § 115b SGB V abzurechnen. Die Portimplantation sei nicht als vorstationäre Behandlung nach § 8 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Halbsatz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) mit der Fallpauschale für die vom 8.4. bis 9.4.2010 erfolgte stationäre Chemotherapie abgegolten. Das Vergütungssystem nach § 115b Abs 1 SGB in Verbindung mit dem AOP-Vertrag gehe nämlic...