Leitsatz (amtlich)
Für die Überprüfung und Neufeststellung einer durch bindend gewordenen Bescheid gewährten Leistung sind keine strengeren Voraussetzungen als bei der Erstfeststellung zu fordern, wenn es auf die Glaubhaftmachung von Tatsachen ankommt. Es ist keine höhere als die überwiegende Wahrscheinlichkeit zu verlangen.
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 30.11.1976; Aktenzeichen S 6 A 198/75) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30. November 1976 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1975 abgeänderte.
Die Beklagte wird verurteilt, bei dem Altersruhegeld des Klägers die Zeit von Juli 1940 bis Dezember 1944 als weitere glaubhaft gemachte Beitragszeit in Klasse E (05) anzurechnen.
2. Die Beklagte hat die dem Kläger in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anrechnung einer weiteren Beitragszeit von Juli 1940 bis Dezember 1944 bei seinem Altersruhegeld.
Der am … 1908 geborene Kläger gab in seinem im November 1972 gestellten Altersruhegeldantrag an, von Juni 1940 bis April 1945 als Angestellter im B. verlag G. L. KG in B. versicherungspflichtig tätig gewesen zu sein. Nach der vorliegenden Versicherungskarte Nr. 1 ist eine Beitragsleistung mit Unterbrechungen für die Zeit von Juli 1936 bis Februar 1939 nachgewiesen. In einer Bescheinigung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte vom 23. Juni 1939 ist der Eingang eines Beitragsrückstands für den Monat März 1939 in Klasse C bestätigt. In einer weiteren Bescheinigung der Reichsversicherungsanstalt vom 21. Juli 1943 ist der Eingang von Beitragsrückständen für die Monate September bis Dezember 1939 in Klasse D und für die Monate Januar bis Juni 1940 in Klasse E belegt. Die dazwischen liegende Zeit von April bis August 1939 hat die Beklagte durch Bescheinigung vom 21. Januar 1963 als Beitragszeit in Klasse C anerkannt. Die Anerkennung einer weiteren Beitragszeit ab Juli 1940 hatte die Beklagte bereits vorher abgelehnt. Die dagegen im Jahre 1962 erhobene Klage nahm der Kläger zurück (SG Koblenz – S 9 An 175/62). Angeblich lehnte die Beklagte die Anerkennung im Jahre 1966 erneut ab; die Akten sind nach Angaben der Beklagten vernichtet.
Durch Bescheid vom 9. Juli 1973 gewährte die Beklagte dem Kläger das Altersruhegeld Sie berücksichtigte dabei in dem Zeitraum bis Kriegsende die nachgewiesenen und anerkannten Beitragsleistungen bis Juni 1940 sowie den Kriegsdienst des Klägers als Ersatzzeit von Januar bis Juli 1945. Der Bescheid ist bindend geworden.
Im August 1974 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine Rentensache zu überprüfen und auch die Zeit ab Juli 1940 als weitere Beitragszeit bei seinem Altersruhegeld anzurechnen. Er legte eine schriftliche Bescheinigung der ehemaligen Geschäftsführerin I. L. vom B.verlag G. L. KG vom 28. Juli 1974 vor Darin heißt es, der Kläger sei im B.verlag L. von 1939 bis 1945 beschäftigt gewesen, die Beiträge zur Angestelltenversicherung seien ordnungsgemäß abgeführt worden. Durch Bescheid vom 4. Februar 1975 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung des Altersruhegeld nach § 79 AVG ab, weil die Bescheinigung der I. L. nicht ausreiche, davon überzeugt zu sein, daß über den Juni 1940 hinaus Beiträge geleistet worden seien, zumal die Fa. L. wiederholt mit der Beitragsleistung in Verzug geraten sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers hat die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 16. Juli 1975 im wesentlichen mit der gleichen Begründung wie im Ablehnungsbescheid zurückgewiesen.
Am 12. August 1975 hat der Kläger die Klage zum Sozialgericht Koblenz erhoben.
Er hat vorgetragen: Für eine weitere ordnungsgemäße Beitragsleistung durch die Fa. L. spreche die Tatsache, daß er nach wie vor von der AOK Berlin Krankenscheine erhalten habe und demnach auch versichert gewesen sei. Er wisse noch ganz genau, daß er anläßlich der Geburt seines Sohnes B. im … 1942 und dessen Tod im … 1945 von der Krankenkasse Leistungen erhalten habe. Er habe nur ein kleines Gehalt von etwa 300,–Reichsmark gehabt, das seit 1940 nicht erhöht worden sei. Er sei somit Versicherungspflichtig gewesen. Als Einzugstelle für die Versicherungsbeiträge habe die Krankenkasse demnach auch die Angestelltenversicherungsbeiträge erhoben.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, aus der Krankenversicherung könne nicht auf eine Beitragsleistung zur Angestelltenversicherung geschlossen worden, da der Kläger auch freiwillig krankenversichert gewesen sein könnte.
Das Sozialgericht hat die frühere Geschäftsführerin I. L. vom Sozialgericht Köln als Zeugin vernehmen lassen. Die Zeugin hat ausgesagt, sie könne aus eigener Wahrnehmung nichts über eine Beitragsentrichtung für den Kläger sagen, sie sei jedoch überzeugt, daß Beiträge abgeführt worden seien.
Durch Urte...