Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 09.08.1990; Aktenzeichen S 9 Ar 420/89) |
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 9.8.1990 und die Bescheide vom 16.8.1989 und 11.9.1989 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 3.7. bis 28.7.1989 zu gewähren.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klage in ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 3.7. bis 28.7.1989.
Die 1969 geborene Klägerin erlernte vom 5.8.1986 bis 5.7.1988 den Beruf der Bekleidungsfertigerin mit entsprechendem Abschluß. Im Anschluß daran besuchte sie vom 25.8.1988 bis 19.6.1989 die Berufsbildende Schule M. – Fachoberschule Sozialwesen –.
Am 20.6.1989 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Alg. In der Zeit vom 3.7. bis 28.7.1989 war sie ehrenamtlich bei der Arbeiterwohlfahrt, Ortsverein M. tätig. Sie betreute im Rahmen des Projekts Kinderstadtranderholung täglich von 8.00 bis 17.00 Uhr Kinder aus sozialschwachen Familien, für die die Arbeiterwohlfahrt Ferienmaßnahmen im Hotel E. in M.-K. durchführte. Dies lag ca 10 km vom Wohnort der Klägerin entfernt. Sie fuhr täglich mit dem eigenen Auto zum Hotel E., um jeder Zeit im Bedarfsfalle die Ferienmaßnahme verlassen zu können. Die Klägerin wohnte noch bei ihren Eltern. Ihre Mutter war ermächtigt, die vom Arbeitsamt eingehende Post zu öffnen und sie unverzüglich telefonisch zu benachrichtigen. Auf diese Weise erhielt die Klägerin im streitigen Zeitraum auch Kenntnis von einem Vorstellungstermin bei der Firma S. in K.. Am darauffolgenden Tag (das genaue Datum ist nicht mehr feststellbar) fertigte die Klägerin in der Firma eine Probezeichnung an, was ca zwei bis drei Stunden in Anspruch nahm. Die Zeichnung diente der Vorbereitung zum Abschluß eines Lehrvertrages, der dann auch tatsächlich zum 1.8.1989 mit der Firma S. zustande kam. Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit bei der Arbeiterwohlfährt erhielt die Klägerin insgesamt 300,– DM Aufwandsentschädigung, mit der auch die ihr entstandenen Fahrkosten abgegolten waren.
Mit Bescheiden vom 16.8.1989 und 17.8.1989 bewilligte die Beklagte Alg in Höhe von 88,80 DM wöchentlich für die Zeit vom 20.6. bis 1.7.1989 und ab dem 29.7.1989 nach einem wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt von 180,– DM. Mit Schreiben vom 14.8.1989 teilte die Beklagte mit, Alg könne für die Zeit vom 3.7. bis 28.7.1989 nicht gewährt werden, weil sie als Betreuerin mehr als kurzzeitig tätig war und damit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe.
Dem widersprach die Klägerin am 18.8.1989 mit der Begründung, es habe sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit gehandelt, die sie ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jeder Zeit hätte beenden können. Mit Bescheid vom 11.9.1989 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin sei während der Teilnahme an dem Projekt der Arbeiterwohlfahrt nicht in der Lage gewesen, eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Zudem sei sie auch nicht während des üblichen Eingangs der Briefpost unter der von ihr benannten Anschrift erreichbar gewesen.
Gegen den ihr am 12.9.1989 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 15.9.1989 Klage vor dem Sozialgericht Koblenz erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie habe die Betreuungsmaßnahme jederzeit unverzüglich beenden können. Eine vertragliche Verpflichtung habe nicht bestanden. Auch sei sie für das Arbeitsamt erreichbar gewesen, denn sie habe ihre Mutter ermächtigt, die Post des Arbeitsamtes sofort zu öffnen und ihr den Inhalt telefonisch mitzuteilen, so daß sie ohne Verzögerung auf entsprechende Angebote der Beklagten habe reagieren können. Im übrigen habe der Sachbearbeiter der Beklagten bei Entgegennahme des Alg-Antrags am 27.6.1989 sie nicht darauf hingewiesen, daß die Betreuungstätigkeit den Anspruch auf Alg ausschließe, obgleich sie ihn über ihre Absichten unterrichtet habe. Ein solcher Hinweis sei auch nicht, im Merkblatt für Arbeitslose der Bundesanstalt für Arbeit enthalten. Bei ordnungsgemäßer Belehrung hätte sie das Ehrenamt nicht angenommen. Sie fühle sich daher durch die Vorgehensweise des Arbeitsamtes geradezu hereingelegt.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt eingeholt und den Sachbearbeiter der Beklagten G. A. als Zeugen vernommen.
Sodann hat es mit Urteil vom 9.8.1990 die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei im streitigen Zeitpunkt nicht verfügbar gewesen, denn sie sei objektiv nicht in der Lage gewesen, eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Der objektiven Verfügbarkeit stehe entgegen, daß die Klägerin täglich ganztags ihrer Betreuungstätigkeit nachgegangen sei und daneben offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung auszuüben. Die glaubhafte Erkl...