Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 24.01.1995; Aktenzeichen S 1 Ar 492/93) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24.1.1995, Az: S 1 Ar 147/95, sowie der Bescheid der Beklagten vom 15.4.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.1993 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über seinen Antrag auf eine weitergehende Verkürzung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 KSchG zu bescheiden. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des gemäß § 20 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beim Landesarbeitsamt (LArbA) gebildeten Ausschusses über den Antrag des Klägers auf Verkürzung der Entlassungssperre nach § 18 KSchG. Beklagte ist die Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Der Kläger wurde am 1.3.1993 zum Sequester der Firma L. Schuhfabrik GmbH und danach, als am 8.3.1993 der Konkurs über dieses Unternehmen eröffnet wurde, am gleichen Tag zum Konkursverwalter bestellt. Am 9.3.1993 unterrichtete er den Betriebsrat über die betriebliche Situation. Das zuständige Arbeitsamt Pirmasens händigte ihm Anzeigenvordrucke für die Anzeige von Massenentlassungen aus und wies einem Aktenvermerk zufolge auf die hierfür bestehenden „Fristen” hin. Der Kläger gab an diesem Tag an, vor dem 12.3.1993 („Besprechungstermin in Mainz wegen Forderung bei Übernahme” s. Aktenvermerk, Bl. 12 VA) werde keine Anzeige wegen Massenkündigung erstattet werden. Ausweislich des Aktenvermerks wurde der Prokurist der Fa. L. am 9.3.1993 „über Anzeigepflicht und Konsequenzen” informiert.
Am 18.3.1993 ging beim Arbeitsamt Pirmasens die Anzeige des Klägers ein, worin er angab, daß die ca 80 Beschäftigten entlassen würden. Ferner legte er eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan vor, die zwischen ihm und dem Betriebsrat der Firma L. geschlossen worden war. Der Kläger beantragte die Verkürzung der Entlassungssperre nach § 18 KSchG.
Durch Beschluß vom 31.3.1993 und Bescheid vom 15.4.1993, der an die Firma L. übersandt wurde, verkürzte der Ausschuß für anzeigepflichtige Massenentlassungen beim LArbA die Sperrfrist gemäß § 18 KSchG auf den 9.4.1993. Zur Begründung hieß es: Spätestens nach Aushändigung der Anzeigenvordrucke und Information über die Auswirkungen der §§ 17 ff. KSchG hätte die Anzeige erstattet werden können. Eine weitere Verkürzung sei somit nicht gerechtfertigt.
Soweit der Ausschuß dem Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist nicht stattgegeben hatte, erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend: Er habe die Anzeige schnellstmöglich erstattet, da ihm die Stellungnahme des Betriebsrats, den er am 9.3.1993 unterrichtet habe, erst am 17.3.1993 zugegangen sei. Auch vor seiner Bestellung zum Konkursverwalter habe die Meldung nicht früher erfolgen können, da nicht absehbar gewesen sei, ob der Betrieb fortgeführt werden könne. Selbst wenn man aber eine Pflichtverletzung der Gemeinschuldnerin vor Konkurseröffnung in bezug auf die unterlassene Meldung unterstelle, könnten besondere Sanktionen, welche die Konkursmasse schmälern würden, nicht getroffen werden. Die Arbeitsverwaltung habe lediglich zu entscheiden, wann die im Rahmen der Konkursabwicklung gebotene Massenentlassung unter Gesichtspunkten des Arbeitsmarktes wirksam werden solle. Dabei habe sie auch zu berücksichtigen, daß die Konkursmasse nicht durch die Ablehnung der Verkürzung der Sperrfrist weiter mit Masseschulden belastet werde. Das LArbA über sein Ermessen nur richtig aus, wenn es darauf achte, daß die Sperrfrist nicht weiter laufe als die nach § 22 Konkursordnung (KO) zu beachtenden gesetzlichen Kündigungsfristen.
Durch an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheid vom 2.9.1993 wurde der Widerspruch von dem nach § 20 KSchG beim LArbA geschaffenen Ausschuß zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es: Die Anhörung des Konkursverwalters habe ergeben, daß die negativen Entwicklungen innerhalb des Betriebs seit längerem bekannt gewesen seien, weshalb die Verpflichtung bestanden habe, bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt den Betriebsrat und das Arbeitsamt zu unterrichten. Eine weitere Verzögerung sei dadurch eingetreten, daß der Kläger bereits seit 9.3.1993 von der Notwendigkeit der Anzeige Kenntnis gehabt, diese aber gleichwohl erst am 18.3.1993 dem Arbeitsamt zusammen mit der Vorlage einer Stellungnahme des Betriebsrats erstattet habe. Aus diesem Grunde habe der Ausschuß dem Antrag nur insoweit entsprechen können, als die Regelsperrfrist von einem Monat bei rechtzeitigem Handeln am 9.3.1993 am 8.4.1993 abgelaufen wäre. Bei Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers sowie derjenigen der entlassenen Arbeitnehmer, des öffentlichen Interesses und der Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehö...