Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. befristetes Arbeitsverhältnis. Verschulden. subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab
Orientierungssatz
1. Die vom Gesetzgeber in § 37b S 2 SGB 3 gewählte Formulierung rechtfertigt die Annahme, dass Arbeitnehmer befugt sind, sich frühestens drei Monate vor der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses und damit auch später arbeitsuchend zu melden. Einem Arbeitnehmer, der daher in Kenntnis des § 37b S 2 SGB 3 den zulässigen Schluss zieht, zur Arbeitsuchendmeldung auch später als drei Monate vor dem Beendigungszeitpunkt berechtigt zu sein, kann daher ein fahrlässiges Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden. Der gerade für befristete Arbeitsverhältnisse aufgestellte "Normbefehl" des § 37b S 2 SGB 3 hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens der Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung hätte klarer und eindeutiger formuliert werden können und müssen.
2. Dieser Beurteilung stehen die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihr Merkblatt für Arbeitslose und in Aufhebungsbescheide aufgenommenen Hinweise zur frühzeitigen Arbeitssuche nicht entgegen, wonach sich Arbeitnehmer eines befristeten Arbeitsverhältnisses "3 Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden" müssen. Solche Hinweise stellen lediglich Informationsquellen dar, die in der Regel Auskunft über die geltende Rechtslage geben sollen. Obliegenheiten, deren Verletzung nachteilige Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch nach sich ziehen, hat grundsätzlich die Legislative durch Rechtsnormen zu bestimmen. Da § 37b S 2 SGB 3 die vertretbare Annahme rechtfertigt, die Arbeitsuchendmeldung sei auch später als drei Monate vor der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses erlaubt, sind die Hinweise der BA vorliegend nicht geeignet, Verschulden zu begründen.
Tenor
1. |
|
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 6.4.2006 - S 11 AL 86/05 - aufgehoben. |
Die Bescheide der Beklagten vom 29.11.2004 und 2.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2005 werden aufgehoben, soweit ein Minderungsbetrag von 1.050 € festgesetzt worden ist.
2. |
|
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. |
3. |
|
Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) streitig.
Die Klägerin war vom 1.4. bis zum 31.10.2002 und vom 1.4. bis zum 31.10.2003 jeweils befristet als Leiterin eines Schullandheimes beschäftigt. Sie meldete sich am 19.3.2003 arbeitslos und bestätigte am 23.9.2003, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 11.10.2003 ist vermerkt, dass eine Wiedereinstellung für 2004 "geplant (begrenzt 1.4. bis 31.10.2004)" sei. Die Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 5.11.2003 Alg für die Zeit ab 1.11.2003.
Die Klägerin trat am 15.4.2004 eine bis zum 31.10.2004 erneut befristete Beschäftigung als Heimleiterin an. Die Arbeitsaufnahme hatte sie der Agentur für Arbeit M telefonisch am 31.3.2004 mitgeteilt. Die Beklagte hob daher mit Bescheid vom 15.4.2004 die Bewilligung des Alg für die Zeit ab 15.4.2004 auf. Dabei wurde auf Folgendes hingewiesen:
"Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. ... Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis ..., müssen Sie sich 3 Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden."
Die Klägerin meldete sich am 4.11.2004 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 29.11.2004 mit, dass sich der Anspruch um 1.050 € mindere, weil sich die Klägerin nicht spätestens am 2.8.2004, sondern erst am 4.11.2004 und damit um 94 Tage zu spät arbeitsuchend gemeldet hätte. Sie gewährte Alg ab 4.11.2004 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 415 € und setzte eine Minderung von 15,57 € täglich fest (Bescheid vom 2.12.2004). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2005 zurück.
Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat mit Urteil vom 6.4.2006 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe sich nicht drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet und sei damit ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen. Über ihre Obliegenheit habe sie die Beklagte sowohl durch das Merkblatt als auch den Aufhebungsbescheid vom 15.4.2004 informiert. Eine Arbeitsuchendmeldung bei der Abmeldung aus dem Leistungsbezug im April 2004 sei im EDV-System der Beklagten nicht gespeichert.
Gegen das ihr am 27.4.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.5.2006 (Montag) Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, ein schuldhaftes Verhalten könne ihr nicht vorgeworfen werden. Bereits im März 2004 habe sie die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie zum 15.4.2004 eine Beschäftigun...