Entscheidungsstichwort (Thema)
Sanktionsbescheid. Rechtsfolgenbelehrung. Eingliederungsvereinbarung. Umdeutung. Anordnung der aufschiebenden Wirkung
Leitsatz (redaktionell)
Der Grundsicherungsträger ist nicht befugt, eine mit dem Hilfebedürftigen geschlossene und weiterhin geltende Eingliederungsvereinbarung einseitig durch einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II zu ersetzen.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 Nr. 2; SGB II § 15 Abs. 1 S. 6, § 39 Nr. 1; SGB X § 32 Abs. 1, § 43
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Widersprüche des Antragstellers gegen drei Sanktionsbescheide des Antragsgegners aufschiebende Wirkung haben.
Der am. 1981 geborene Antragsteller steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Am 11. Februar 2011 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine bis zum 10. August 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung. Der Antragsteller verpflichtete sich, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mittel und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Der Antragsgegner wolle den Antragsteller nach einer Einzelfallprüfung während seiner Arbeitsuche im Rahmen der Möglichkeiten aktiv hinsichtlich der Leistungen aus dem Vermittlungsbudget unterstützen.
In einem Beratungsgespräch am 3. Mai 2011 bot der Antragsgegner dem Antragsteller den Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung an, was der Antragsteller ablehnte. Bei einer weiteren Vorsprache am 9. Juni 2011 kam es ebenfalls nicht zum Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 lud der Antragsgegner den Antragsteller zu einer Maßnahme ein ("Maßnahme zur beruflichen Eingliederung" bei der Akademie Ü.). Dieses Einladungsschreiben ist dem Antragsteller nach seinen Angaben nicht zugegangen. Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 erließ der Antragsgegner einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 SGB II. Die Regelungen des Bescheids sollten für den Zeitraum vom 22. Juni bis zum 16. August 2011 gelten. Gegenstand war die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme, die bereits Gegenstand des Einladungsschreibens vom 15. Juni 2011 war.
Der Antragsteller nahm diese Aktivierungsmaßnahme nicht auf. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens teilte er mit, die Zwangsteilnahme an einer Maßnahme sei nicht sanktionswürdig. Es werde in seine Vertragsabschlussfreiheit und in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingegriffen. Er habe sich nur gegen die Maßnahmedauer ausgesprochen. Es fehle an der notwendigen Potentialanalyse des Antragstellers. Außerdem sei die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die dem Antragsteller für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 bewilligten Leistungen in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 6. Juni 2011 zu einer Aktivierungsmaßnahme eingeladen worden, habe ohne wichtigen Grund hieran nicht teilgenommen und sei über die Rechtsfolgen in dem genannten Schreiben belehrt worden. Mit weiterem Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 in Höhe von weiteren 30 % des Regelbedarfs. Er habe eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt über die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme bei der Akademie Ü. erhalten. Seiner Teilnahmeverpflichtung sei er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen, ohne dass hierfür ein Grund bestünde. Die Kürzungen waren bereits im Bewilligungsbescheid vom 17. August 2011 umgesetzt worden.
Der Antragsteller legte gegen diese Sanktionsbescheide am 25. August 2011 Widerspruch ein und führte aus, die Sanktionierung sei aufgrund eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht möglich. Die Eingliederungsvereinbarung enthalte lediglich Textbausteine. Eine Konkretisierung der zugewiesenen Maßnahme fehle. Eine Sanktionierung könne auch nicht aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt erfolgen. Ihm sei zwar der ersetzende Verwaltungsakt zugegangen, nicht aber das Einladungsschreiben vom 6. Juni 2011.
Mit Schreiben vom 25. August 2011 schlug der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsstelle als Helfer bei dem Zeitarbeitsunternehmen M GmbH mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden vor und bat ihn, sich umgehend telefonisch zu bewerben. Das Schreiben enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, dass bei Weigerung der Arbeitsaufnahme oder Verhinderung der Anbahnung das Arbeitslosengeld II um 60 % gekürzt werde, da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handeln würde. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner am 31. Aug...