Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Heiz- und Betriebskostennachzahlung durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Bei der Übernahme der Heiz- und Betriebskostennachzahlung durch den Grundsicherungsträger handelt es sich nicht um eine laufende, sondern um eine einmalige Leistung für die Kosten der Unterkunft, die von § 22 Abs. 1 SGB 2 erfasst ist. Als aktueller Bedarf ist sie im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Leistungen für Kosten der Unterkunft sind bis zur Grenze der Angemessenheit zu übernehmen.

2. Auch die Heizkosten gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 stehen unter dem Leistungsvorbehalt der Angemessenheit. Eklatant kostspieliges oder unwirtschaftliches Verhalten ist vom Grundsicherungsträger nicht zu finanzieren.

3. Soweit die tatsächlichen Heizkosten die Grenzwerte des bundesdeutschen Heizspiegels überschreiten, besteht ein Anscheinsbeweis, dass diese Kosten unangemessen hoch i. S. von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 sind.

4. Nach einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers wegen unangemessener Heizkosten ist grundsätzlich eine Übergangsfrist oder Schonzeit von bis zu sechs Monaten einzuräumen. Eines solchen Übergangszeitraumes bedarf es nicht, wenn ein Wohnungswechsel nicht erforderlich ist.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2010 wird abgeändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig weitere 544,66 EUR auf die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern 60 % ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus M. gewährt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer begehren die Übernahme einer Nachzahlung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung ihrer Vermieterin für das Jahr 2008 iHv noch 705,67 EUR und die Berücksichtigung höherer Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen bei der Leistungsbewilligung ab Januar 2010.

Die Antragsteller zu 1, 2 und 3 beziehen von dem Antragsgegner seit dem Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seither bewohnen sie - mittlerweile zu fünft - eine 130 qm große Mietwohnung in O ... In dem Haus befindet sich noch eine von der Vermieterin bewohnte Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 qm. Die Beheizung des Hauses erfolgt mittels einer Ölzentralheizung; Warmwasser wird elektrisch erzeugt.

Bereits im April 2006 wurden die Antragsteller von dem Antragsgegner über die von ihm als angemessenen erachteten Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) belehrt). Für einen Vier-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von maximal 85 qm angemessen. Für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft kämen 10 qm hinzu. Eine Kaltmiete sei bis zu einem Betrag iHv 4,40 EUR/qm Wohnfläche angemessen. Für Betriebskosten gelte ein monatlicher Höchstbetrag iHv 1,00 EUR/qm anerkannter Wohnfläche. Heizkosten würden bei Fernwärme iHv bis zu 1,00 EUR/qm anerkannter Wohnfläche als angemessen erachtet. Bei einer Einzelheizung würden die Heizkosten nach den örtlichen Gegebenheiten und dem angemessenen Brennstoffbedarf nach Heizungsart berücksichtigt. Die KdU der Antragsteller (4 Personen, 130 qm Wohnfläche, 300,00 EUR Kaltmiete, 77,00 EUR Betriebskosten, Jahresverbrauch Heizöl 2.711,5 l) seien insgesamt angemessen.

Aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2005 ergibt sich ein Gesamtverbrauch im Haus von 3.500 l Heizöl, den die Vermieterin nach Wohnflächenanteilen (130 qm zu 60 qm) auf die Parteien umlegte, so dass auf die Antragsteller 2.400 l Heizöl entfielen. Hinzu kamen anteilige Kosten für die Heizungswartung und den Schornsteinfeger. Entsprechend verfuhr die Vermieterin bei den Abrechnungen für die Folgejahre (2006: 2.400 l; 2007: 2.600 l).

Im Jahr 2008 erbrachte der Antragsgegner KdU-Leistungen iHv monatlich 481,87 EUR an die Bedarfsgemeinschaft. Davon entfielen auf die Kaltmiete 300,00 EUR, auf die Heizkostenvorauszahlung 92,62 EUR und auf die Betriebskostenvorauszahlung 89,25 EUR. Nach der Geburt der Antragstellerin zu 5 verteilte der Antragsgegner die unveränderten KdU-Leistungen auf fünf Personen.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme der Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung ihrer Vermieterin für das Jahr 2008 sowie die Übernahme der ab 1. Januar 2010 auf 292,00 EUR/Monat erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen.

Aus der Nebenkostenabrechnung ergaben sich von den Antragstellern zu zahlende Betriebskosten iHv 1.180,23 EUR und Heizkosten iHv 2.322,34 EUR. Dabei wurde ein Gesamtverbrauch im Haus von 3.305 l Heizöl zu einem Preis von 0,64 EUR/l abgerechnet. Es wurden Stromkosten (Brenner, Steuerung und Heizungspumpe) iHv 326,59 EUR in Ansatz gebracht sowie Aufwendungen für die Heizungswartung iHv 148,51 EUR. Von ...

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