Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenentscheidung nach § 193 Abs 1 SGG. Untätigkeitsklage
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermessensentscheidung über die Kostentragungspflicht ist bei einer zulässigen Untätigkeitsklage zu berücksichtigen, ob ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs bestanden, die Widerspruchsbehörde sachgerechte Ermittlungen zeitnah eingeleitet und den Widerspruchsführer hierüber informiert hat.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Mai 2007 geändert. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Klage- und das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Erstattungspflicht des Beklagten für die außergerichtlichen Kosten des Klägers für eine Untätigkeitsklage.
Der am 1985 geborene Kläger, Staatsangehöriger von Niger, reiste im März 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30. April 2002 ab. Der Kläger teilte nachfolgend die von ihm anerkannte Vaterschaft für das am 2005 geborene Kind M. J mit deutscher Staatsangehörigkeit mit.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2006 bewilligte der Landkreis M. -Q. dem Kläger ab dem Monat August 2006 bis auf weiteres Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 318,83 EUR monatlich sowie eine Bekleidungshilfe (20,45 EUR). Berücksichtigt wurden hierbei als laufender Bedarf: Geldbetrag 40,90 EUR (§ 3 Abs. 1 AsylbLG) Zusatzleistungen 132,93 EUR (§ 3 Abs. 2 AsylbLG) Miete 133,00 EUR Heizungskosten 12,00 EUR
Mit seinem gegen diesen Bescheid am 11. August 2006 eingelegten Widerspruch machte der Kläger höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG ab September 2005 geltend. Da er bereits seit Juni 2002 Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, stünden ihm seit Vollendung des Dreijahreszeitraums Leistungen nach § 2 AsylbLG und im Übrigen Leistungen nach § 6 AsylbLG zur Wahrnehmung des Sorgerechts zu.
Nachdem nach seinen Angaben zuvor eine telefonische Anfrage erfolgt war, forderte der Sachbearbeiter mit Telefaxschreiben vom 4. Oktober 2006 bei dem Ordnungsamt/Ausländerbehörde des Landkreises eine schriftliche Mitteilung an, ob bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG erfüllt seien. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 unterrichtete der Landkreis den Kläger über den Sachstand. Es sei zur Entscheidung über den Widerspruch um eine Stellungnahme der Ausländerbehörde ersucht worden. Es werde daher um Geduld gebeten. In dem mit Telefax am 14. November 2006 übermittelten Antwortschreiben auf die Anfrage vom 4. Oktober 2006 wurden die Unterlagen zu einem den Status des Klägers im Sinne des Aufenthaltsgesetzes betreffenden Verwaltungsrechtsstreit übersandt. Mit Bescheid vom 16. November 2006, dem als Anlage eine unter dem 21. November 2006 erstellte Leistungsberechnung beigefügt war und der dem Prozessbevollmächtigten am 22. November 2006 zuging, half der Landkreis dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger ab September 2005 laufende Leistungen in Höhe von 434,59 EUR monatlich auf der Grundlage von § 2 AsylbLG, analog den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).
Der Kläger hat seine am 21. November 2006 bei dem Sozialgericht eingegangene Untätigkeitsklage gegen den Beklagten am 28. November 2006 zurückgenommen und gleichzeitig beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2007 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten unbillig. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da sich diese gegen den falschen Beklagten gerichtet habe. In Bezug auf das beklagte Land sei eine Untätigkeit im Sinne des § 88 SGG nicht feststellbar. Aus dem Schreiben des Landkreises vom 16. Oktober 2006 sei eindeutig erkennbar, dass das Verfahren noch bei dieser Ausgangsbehörde geführt worden sei. Der hier zuständige Landkreis teile auch regelmäßig mit, wenn er den Widerspruch zur Entscheidung dem Landesverwaltungsamt vorlege. Daher hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erkennen können, dass die Untätigkeitsklage gegen den Landkreis habe gerichtet werden müssen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss am 25. Juni 2007 Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt, das dieser nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt vorgelegt hat.
Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Kläger aus, die Untätigkeitsklage habe sich zutreffend gegen den Beklagten als Widerspruchsbehörde gerichtet. Die Abhilfe und Vorlage der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ...