Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsförderung. Arbeitslosengeldanspruch. Erhöhung des Bemessungsentgeltes bei Arbeitslosigkeit nach vereinbarter Altersteilzeit im Blockmodell. begrenzte Privilegierung. Beginn des Altersrentenanspruchs. vorzeitige Altersrente mit Abschlag. nachträgliche Änderung der Gesetzeslage. abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitslose, die zuvor in Altersteilzeit gearbeitet haben, werden bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nur bis zu dem Zeitpunkt durch die Berücksichtigung eines fiktiven Arbeitsentgelts privilegiert, zu dem sie erstmals eine Altersrente in Anspruch nehmen können. Dies gilt auch, wenn die Altersrente mit Abschlägen behaftet ist (vgl BSG vom 15.12.2005 - B 7a AL 30/05 R = SozR 4-4300 § 131 Nr 3, juris Rn 14; BSG vom 22.09.2022 - B 11 AL 31/21 R , juris Rn 26 ).
2. Wird die Altersteilzeitvereinbarung bis zum Ende der Freistellungsphase und damit bis zum möglichen Altersrentenbeginn durchgeführt und scheidet der Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß aus dem Arbeitsverhältnis aus, kann er von der Privilegierung des § 10 Abs 1 Satz 1 AltTZG (juris: AltTZG 1996) nicht profitieren. Dies gilt auch, wenn sich die Gesetzeslage nach Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung geändert hat (hier: durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz - juris: RVLVG), der Arbeitslose dadurch die Möglichkeit erhalten hat, früher eine ungeminderte Rente in Anspruch zu nehmen, und er sich deshalb dafür entscheidet, für die nur wenige Monate dauernde Zwischenzeit Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen.
Orientierungssatz
Die Nichtanwendung der Privilegierungstatbestände verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG .
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 1. August 2017 bis zum 31. Januar 2019 höheres Arbeitslosengeld von der Beklagten.
Die am ... 1954 geborene Klägerin meldete sich am 25. Juli 2017 mit Wirkung zum 1. August 2017 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Bereits am 18. April 2017 hatte sie sich arbeitsuchend gemeldet. Die Klägerin war vom 2. März 1987 bis zum 31. Juli 2017 bei der D. AG (Arbeitgeberin) als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft beschäftigt. Sie gab an, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 unter Abänderung und Ergänzung als Altersteilzeitverhältnis weitergeführt worden sei. Hierbei sei festgelegt worden, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis zum 31. Juli 2017 ende, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Auch eine Nachfrage bei der Arbeitgeberin mit dem Wunsch der Fortsetzung der Beschäftigung sei erfolglos gewesen. Grundlage für den Altersteilzeitvertrag sei der konzerninterne Altersteilzeittarifvertrag gewesen. Hier sei festgelegt worden, dass die Altersteilzeit spätestens bis zum Beginn des Kalendermonats nach Vollendung des 59. Lebensjahres beginnen müsse. In einem Schreiben vom 3. Juli 2017 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, dass Ihre Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit mit Ablauf des 31. Juli 2017 ende. Nach der Altersteilzeitvereinbarung vom 22. Juli 2009 dauerte die Arbeitsphase in der Altersteilzeit vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. September 2013 und die Freistellungsphase vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2017. Die Klägerin nahm zum 1. August 2017 eine Teilzeitbeschäftigung mit 5 Wochenstunden als Haushaltshilfe auf, hieraus erziele sie nach ihren Angaben ein Entgelt von 165 € monatlich. Aus der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin ergibt sich, dass die Klägerin von August 2016 bis Juli 2017 18.937,44 € (12 × 1.578,12 €) beitragspflichtiges Bruttoentgelt erzielte und ein fiktives Bruttoentgelt von 37.556,04 €, daneben erhielt sie eine Einmalzahlung im August 2016 i.H.v. 44,58 €.
Mit Bescheid vom 18. August 2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. August 2017 vorläufig Arbeitslosengeld, für den Zeitraum vom 24. Oktober 2017 bis 22. April 2019 unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgeltes von 18.937,44 € bzw. täglich 51,88 € (bei einem Leistungsentgelt i.H.v. 37,78 € - Lohnsteuerklasse IV) i.H.v. 22,67 € täglich; über den Zeitraum vom 1. August bis zum 23. Oktober 2017 könne noch nicht entschieden werden.
Die Klägerin reichte bei der Beklagten eine Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom 29. August 2017 ein, wonach sie frühestmöglich ab dem 1. August 2017 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Abschlag von 9,6 % in Anspruch nehmen könne. Der frühestmögliche Rentenbeginn ohne Minderung sei am 1. Dezember 2017 (Altersrente für besonders langjährig Versicherte).
Die Beklagte stellte zunächst fest, dass vom 1. August bis 23. Oktober 2017 eine Sperrzeit eingetreten sei. Mit Änderungsbescheid vom 7. August 2017 bewilligte sie der Klägerin abschließend Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2017 für 720 Tage i....