Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss für Auszubildende bei Ausbildungsgeldbezug eines behinderten Menschen während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben
Leitsatz (amtlich)
Personen mit Anspruch auf Ausbildungsgeld nach § 104 ff SGB 3, die an einer berufsvorbereitenden Maßnahme oder einer Ausbildung in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen iS von § 102 SGB 3 teilnehmen, sind nicht nach § 7 Abs 5 SGB 2 vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 ausgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung der jüngeren Vorschrift des § 27 Abs 3 SGB 2 erkennbar davon ausging, auch Personen mit Anspruch auf Ausbildungsgeld könnten von dem Regelungsbereich des § 7 Abs 5 SGB 2 erfasst werden.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragsstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B -H bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darüber, ob der Antragsgegner zu Recht die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Antragstellerin aufhoben hat.
Die am ... 1988 geborene Antragstellerin ist ein behinderter Mensch (wegen der Folgen einer Muskelschwunderkrankung) mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 50 von Hundert. Sie verfügt noch über keine Berufsausbildung. Die Antragstellerin ist Mieterin einer von ihr alleine angemieteten und bewohnten Wohnung in B ..., Ortsteil K ... Nach dem Mietvertrag hat die Antragstellerin als Miete monatlich 208,80 EUR sowie weiter 5,00 EUR für eine Satellitenanlage und Vorauszahlungen von monatlich 60,00 EUR für Nebenkosten und monatlich 62,40 EUR für Heizkosten zu leisten, insgesamt 336,20 EUR monatlich. Die Antragstellerin bezieht seit dem Tod ihrer Mutter eine Halbwaisenrente. Der monatliche Zahlbetrag dieser Rente ist zuletzt zum 1. Juli 2011 mit monatlich 135,99 EUR festgesetzt worden. Der Name und der Aufenthalt des Vaters der Antragstellerin sind unbekannt. Die Antragstellerin bezog Arbeitslosengeld II (Alg II) als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2010 bewilligte der Antragsgegner Leistungen in Höhe von monatlich 578,26 EUR für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner einen monatlichen Bedarf in Höhe von 683,73 EUR (Grundbedarf in Höhe von 359,00 EUR und Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 324,73 EUR) und setzte davon einen Anrechnungsbetrag für Einkommen in Höhe von 105,47 EUR (im Antrag angegebener Monatszahlbetrag der Halbwaisenrente von [damals] 135,47 EUR abzüglich eines anrechnungsfreien Pauschalbetrags von 30,00 EUR) ab. Der Betrag für den Grundbedarf wurde dann mit Wirkung zum 1. Januar 2011 auf monatlich 364,00 EUR angepasst, so dass sich ein monatlicher Leistungsbetrag von 583,26 EUR ergab (Änderungsbescheid vom 26. März 2011). Nach einem Gesprächsvermerk in den Akten des Antragsgegners teilte die Antragstellerin dort am 17. August 2011 mit, sie sei für die Teilnahme an einer Berufsvorbereitungsmaßnahme beim Berufsförderungswerk in D ... vorgemerkt. Dazu wird in dem Vermerk ausgeführt: Eine Ausbildung sei nur in einer Einrichtung wie dem Berufsförderungswerk D. möglich, weil nur dort auf die Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Behinderung der Antragstellerin eingegangen werden könne. Die Unterbringung müsse dort wegen der Entfernung zum Wohnort der Antragstellerin in einem Wohnheim erfolgen. Die bisherige Wohnung wolle die Antragstellerin nicht aufgeben. Die Antragstellerin frage in diesem Zusammenhang bei dem Antragsgegner nach, ob während der Maßnahme von diesem die Kosten für die vorhandene Wohnung übernommen würden. Nach einem Vermerk in der Akte des Antragsgegners vom 30. August 2011 kam die zuständige Sachbearbeiterin zur Einschätzung, ein Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 5 SGB II liege infolge der Teilnahme an der Maßnahme nicht vor. Hierüber wurde die Antragstellerin telefonisch informiert und zum Antritt der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme "aufgefordert". Mit einer am 2. September 2011 dort eingegangenen Veränderungsmitteilung unterrichtete die Antragstellerin dann den Antragsgegner über die Teilnahme an der Berufsförderungsmaßnahme ab dem 1. September 2011. Über die Teilnahme an der Maßnahme hatten die Antragstellerin, das Berufsbildungswerk S. GmbH als Träger des Berufsförderungswerks und die Bundesagentur für Arbeit (BA) als Kostenträger einen "Rehabilitationsvertrag" vom 19. August 2011 abgeschlossen. Danach handelte es sich um eine berufsvorbereitende ...