Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung des Hilfebedürftigen und des Sozialhilfeträgers an den Umfang des in der Zielvereinbarung festgelegten Persönlichen Budgets

 

Orientierungssatz

1. Wird die Bewilligung höherer laufender Leistungen der Sozialhilfe als bisher festgesetzt durch einstweiligen Rechtsschutz beantragt, so ist der Zeitraum, auf den sich das Begehren erstreckt, im Antrag zu begrenzen. Soweit das Gericht nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO auf Antrag die Klageerhebung binnen einer bestimmten Frist anordnen kann, ersetzt das die Eingrenzung des Begehrens durch den Antragsteller i. S. einer Vorläufigkeit nicht.

2. Von der Hilfe zur Pflege i. S. der §§ 61 ff. SGB 12 sind auch Leistungen der häuslichen Pflege umfasst. Das nach dem SGB 11 gewährte Pflegegeld ist vorrangig auf die Leistung nach § 65 Abs. 1 SGB 12 anzurechnen.

3. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 SGB 11 können Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um dem Leistungsberechtigten in eigner Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

4. Der individuelle Bedarf des Hilfebedürftigen ist in einer Zielvereinbarung nach der Budgetverordnung festzulegen. Diese ist zwingende Voraussetzung für den Erlass eines Bewilligungsbescheides zum Umfang der ambulanten Eingliederungshilfe sowie zur Hilfe in Form eines Persönlichen Budgets.

5. Die Zielvereinbarung stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar, an den die Beteiligten gebunden sind. Dessen Wirksamkeit kann regelmäßig nur durch Kündigung beseitigt werden. Dem Hilfebedürftigen obliegt es, die vereinbarten Ziele unter Einsatz des bewilligten Budgets zu verfolgen. Ein daneben bestehender Anspruch auf Übernahme von weiteren Kosten eines Erbringers von Pflegeleistungen ist insoweit ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (im Weiteren: Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner (im Weiteren: Ag.) die Bewilligung von höheren laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Die am ... 1979 geborene Ast. leidet seit einer metabolischen Entgleisung im Alter von fünf Monaten im Rahmen eines fieberhaften Infektes an einem zerebralen Anfallsleiden mit täglich mehrmals auftretenden Anfällen, einer rechtsseitigen armbetonten Halbseitenlähmung sowie einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung. Ausweislich des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Oktober 2002 sei in Bezug auf die Grundpflege ein Zeitaufwand von 209 Minuten pro Tag und in Bezug auf die hauswirtschaftliche Versorgung ein Zeitaufwand von 60 Minuten pro Tag erforderlich. Im Folgegutachten vom 1. November 2006 wird der Zeitaufwand für die Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten pro Tag eingeschätzt. Der Hilfebedarf entspreche weiter der Pflegestufe II.

Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt M. tätig, führte in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ebenfalls aus, die Ast. benötige für alle täglichen Verrichtungen umfangreiche Anleitung, massive Assistenz und Kontrolle; aufgrund zu geringer psychischer und körperlicher Belastbarkeit, stark wechselnder Stimmungslagen und täglich mehrfach auftretender Anfallsereignisse bestehe keine Werkstattfähigkeit.

Die Eltern der Ast. sind als Betreuer bestellt. Bei der Ast. sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, H, RF" anerkannt (Bescheid vom 15. Februar 1991). Die Ast. bezieht Leistungen zur Pflege nach der Pflegestufe II von der Barmer GEK Pflegekasse. Sie erhält vom Ag. Eingliederungshilfe durch die Betreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. an Wochentagen von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Der Ag. trägt die Kosten hierfür (in Höhe von 1.220,56 EUR monatlich) sowie die Fahrtkosten (in Höhe von 388,89 EUR monatlich). Ferner bezieht sie laufend Grundsicherungsleistungen (im Januar 2007 in Höhe von 476,30 EUR). Auf Veranlassung der Betreuer erhält sie gelegentlich eine logopädische Behandlung.

Seit 1. März 2007 bewohnt die Ast. eine 3-Zimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Anschrift.

Für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2007 schlossen die Beteiligten unter dem 18. Dezember 2006 eine Zielvereinbarung für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des Persönlichen Budgets (im Weiteren: PB), in der als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgele...

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