Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. defensive Konkurrentenklage. bestehende Dialysepraxis. Genehmigung. neue Praxis. Drittwiderspruchsrecht. Beendigung. Gemeinschaftspraxis. Zusicherung. einstweilige Anordnung. Untätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Defensive Konkurrentenklagen sind grundsätzlich unzulässig (vgl ua BSG vom 10.5.2000 - B 6 KA 9/99 R = SozR 3-2500 § 102 Nr 4).

2. Ärzten, die mit hohen Investitionen eine Dialysepraxis aufbauen, soll die wirtschaftliche Existenz durch einen bestimmten Patientenanteil gesichert werden. Vor der Genehmigung einer neuen Praxis sollen die bereits vorhandenen Praxen nach Erweiterungswünschen gefragt werden. Daraus ergibt sich ein Drittwiderspruchsrecht für die Ärzte in zugelassenen Praxen.

3. Das Auseinanderbrechen der Gemeinschaftspraxis darf nicht dazu führen, dass ein Vertragsarzt seine bisherige Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrages für das Blutreinigungsverfahren verliert.

4. Zur Rechtmäßigkeit einer Zusicherung iS des § 34 SGB 10.

5. Die Regelung des § 6 der Anl 9.1 zum BMV-Ä/EKV-Ä, der einen Vorrang der vorhandenen Praxen gegenüber Neugründungen statuiert, erfasst den Fall der Beendigung einer Gemeinschaftspraxis nicht, weil sich dadurch zunächst an der Zahl der dialyseanbietenden Ärzte nichts ändert.

6. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

7. Die pure Untätigkeit einer Behörde kann zwar Anlass für einen Antrag auf einstweilige Anordnung sein, keinesfalls sind einstweilige Anordnungen erst nach den in § 88 SGG genannten Fristen zulässig.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Wirkung zum 1. April 2004 die Genehmigung der Übernahme eines Versorgungsauftrages für die Durchführung und Abrechnung von Dialyseverfahren erteilen darf.

Der Antragsteller ist seit 1996 in H als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er war zusammen mit der Beigeladenen zu 3 in einer Gemeinschaftspraxis als Nephrologe tätig und besaß seit 1998 eine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren, seit Oktober 2002 auch die Genehmigung der Übernahme eines Versorgungsauftrages für die Durchführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren. Zum Ende des Jahres 2003 schied der Antragsteller aus der Gemeinschaftspraxis mit der Beigeladenen zu 3 aus. Auf seinen Antrag vom Dezember 2002 erhielt er von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23. April 2003 eine "Zusicherung der Genehmigung eines Versorgungsauftrages für die Durchführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung". Die Zusicherung erfolgte unter der Bedingung, dass der Antragsteller sich spätestens bis zum 1. April 2004 in Einzelpraxis in H niederlasse. Zuvor hatte die Antragsgegnerin das Einvernehmen der Landesverbände der Krankenkassen hergestellt und hierbei nur die Dialysepraxen in Halle, nicht die Praxis der Beigeladenen zu 1 und eine weitere Praxis in E genannt. Der Antragsteller ließ sich zum 1. April 2004 in Einzelpraxis in H nieder und bestellte für den 1. April 2004 zehn dialysepflichtige Patienten.

Im August 2003 beantragten die Beigeladenen zu 1 und 2 jeweils die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Dialyseverfahren für einen dritten Arzt. Die Antragsgegnerin lehnte die Anträge ab. Über die Widersprüche der Beigeladenen ist bisher noch nicht entschieden. Die Antragsgegnerin erteilte im Dezember 2003 einer Ärztin die Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Durchführung und Abrechnung von Dialyseverfahren in der Gemeinschaftspraxis mit der Beigeladenen zu 3.

Im Dezember 2003 erhoben die Beigeladenen Widerspruch gegen die dem Antragsteller erteilte Zusicherung. Über die Widersprüche ist gleichfalls noch nicht entschieden. Die Mitglieder der Dialysekommission, die bei der Antragsgegnerin besteht, sprachen sich in einer gemeinsamen Erklärung von 2. März 2004 aus Gründen der wirtschaftlichen Versorgungsstruktur gegen die "Gründung der Dialyseeinrichtung des Antragstellers" aus.

Der Antragsteller hat am 8. März 2004 Klage mit dem Ziel erhoben, die Unzulässigkeit der Widersprüche der Beigeladenen feststellen zu lassen. Er hat außerdem einen Eilantrag auf "sofortige Vollziehbarkeit der Zusicherung" gestellt.

Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 23. März 2004 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 23. April 2003 angeordnet und die Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss des insoweit anhängigen Verwaltungsverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller die Genehmigung der Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Durchführung und Abrechnung von Blutreinigungsverfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung ab dem 1. April 2004 zu erteilen, sofern er die sonstigen Vorau...

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