Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und -grundes. Arbeitslosengeld II. Nachweis der Hilfebedürftigkeit. widersprüchliche und wahrheitswidrige Angaben zu wirtschaftlichen Verhältnissen. Erwerb eines Hausgrundstücks während des Leistungsbezugs. Verknüpfung des notariellen Kaufvertrages mit dem Mietvertrag. Unterkunftskosten. Nichtigkeit des Mietvertrages mangels notarieller Beurkundung
Leitsatz (amtlich)
1. Verschweigt der selbstständig tätige SGB 2-Leistungsemfänger ein Bankkonto mit einem erheblichen Positivsaldo, kauft ohne Finanzierungssicherheit während des Leistungsbezuges eine Immobilie für 55.000 EUR und führt an dieser Immobilie umfangreiche Sanierungsarbeiten für 35.000 EUR aus, sind hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Leistungsanspruchs zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsempfänger wiederholt unvollständige, irreführende oder nachweisliche falsche Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat.
2. Bei einem zusammengesetzten Vertrag (hier: notarieller Kaufvertrag und Mietvertrag) führt ein nachgewiesener Verknüpfungswille zwischen dem Miet- und dem notariellen Kaufvertrag dazu, dass der Mietvertrag den Formerfordernissen des § 313 S 1 BGB iVm § 125 BGB unterliegt. Ist der Mietvertrag nicht notariell beurkundet worden, ist er nichtig.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. April 2014 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 abgelehnt.
Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) begehrt die Aufhebung eines Beschlusses des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG), mit dem den Antragstellern im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Juli 2014 gewährt worden sind.
Die im Jahr 1968 geborene Antragstellerin zu 1. und der im Jahr 1964 geborene Antragsteller zu 2. beantragten jeweils für sich erstmals im August 2009 und im April 2010 Leistungen nach dem SGB II. Diese Leistungen wurden ihnen aufstockend zu den Einkünften aus ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeiten der Antragsteller zu 1. und zu 2. mit mehreren Firmen (Unternehmensberatung, Büroservice, Lohnsteuerhilfeverein) bewilligt. Nach dem Umzug der Antragstellerin zu 1. in die Wohnung des Antragstellers zu 2. erhielten beide ab dem 1. April 2010 Leistungen als Bedarfsgemeinschaft. Nach der Geburt der Antragsteller zu 3. und 4. im Juni 2010 erhielten auch diese als Teil der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II.
Die Antragstellerin zu 1. ist Diplom-Betriebswirtin und Steuerfachwirtin, der Antragsteller zu 2. ist Volkswirt und beide sind selbständig tätig. Am 7. Januar 2014 beantragten die Antragsteller die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Februar 2014. Die Antragstellerin zu 1. reichte Unterlagen über Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (EKS) für das Gewerbe einer Unternehmensberatung sowie für die Tätigkeit in der Beratungsstelle V. L. e.V. und für Beratungsdienstleistungen ein. Für das Gewerbe des Antragstellers zu 2. wurde ebenfalls eine Anlage EKS beigefügt. Hiernach ergab sich ein Gewinn für den Lohnhilfesteuerverein im Zeitraum 1. Februar bis 31. Juli 2013 in Höhe von 895,41 EUR, während die Unternehmensberatung für diesen Zeitraum einen Verlust von 1.863,02 EUR auswies. Für den Antragsteller zu 2. war aus seinem Büroservice für den genannten Zeitraum ein Verlust in Höhe von 3.522,80 EUR ausgewiesen. Im Übrigen wird auf Bl. 1968 bis 1978 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Im Weiterbewilligungsantrag (unterzeichnet von der Antragstellerin zu 1. am 1. Januar 2014) gab die Antragstellerin zu 1. auf die Nachfrage an, es ergäben sich keine Änderungen zu den bisherigen Angaben zum Vermögen aus den vorangegangen Anträgen (Bl. 1951 der Verwaltungsakte, Bd. IX).
Mit Bescheid vom 4. Februar 2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Juli 2014 in monatlicher Höhe von 202,00 EUR (Antragsteller zu 1. und 2. zu je 78,34 EUR und Antragsteller zu 3. und 4. zu je 22,66 EUR). In diesem Bescheid legte der Antragsgegner für die Antragstellerin ein Einkommen in Höhe von 260,00 EUR (Lohnsteuerhilfeverein) und für die Fa. G. von 695,00 EUR zugrunde. Für den Antragsteller zu 2. sei von Einkünften in Höhe von 530,00 EUR aus seinem Büroservice auszugehen (Bl. 2006 der Verwaltungsakte, Bd. IX).
In dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 26. Februar 2014 rügten die Antragsteller die zu geringen Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) sowie die vom Antragsgegner zu hoch angesetzten Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit.
Am 28. Februar 2...