Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Anforderungen an die Ermessensausübung. Regelungen der UnbilligkeitsV sind nicht abschließend. Wirtschaftliche Folgen eines Rentenantrags. Rücknahme des Rentenantrags. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (amtlich)
Prüft das Jobcenter bei der Aufforderung an einen Leistungsberechtigten, vorzeitig einen Rentenantrag zu stellen, nicht, wie sich diese Antragstellung wirtschaftlich für diesen auswirkt, ist dies ermessensfehlerhaft.
Normenkette
SGB II § 5 Abs. 3 S. 1, § 12a S. 1, § 39 Nr. 3; SGB X § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; SGG § 86a Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. September 2014 wird aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2014, welche am Sozialgericht Halle unter dem Az. S 15 AS 1660/14 anhängig ist, angeordnet.
Der Antragsgegner wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den bei der Rentenversicherung Mitteldeutschland für den Antragsteller am 25. März 2014 gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen die Verpflichtung, vorzeitig einen Rentenantrag zu stellen und erstrebt die Anordnung der Verpflichtung des Antragsgegners, einen für ihn vom Antragsgegner beim Rentenversicherungsträger gestellten Antrag zurückzunehmen.
Der am ... 1950 geborene Antragsteller bezieht nach vorherigem Arbeitslosenhilfe- und ergänzendem Sozialhilfebezug seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), zuletzt in Höhe von 747,92 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die mit der geminderten Altersrente eventuell einhergehende Beantragung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) beinhalte keine unbillige Härte, da trotz der geringeren Vermögensfreibeträge, ein solcher Anspruch bestünde. Eingliederungsbemühungen seien fehlgeschlagen. Hiergegen legte der Antragsteller am 30. Dezember 2013 Widerspruch ein: Er hätte durch eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente finanzielle Nachteile. Es müsse auch bei der Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, eine Ermessensentscheidung getroffen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2014 hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen: Die Aufforderung zur Rentenantragstellung stehe im Ermessen des Leistungsträgers. In der Vergangenheit seien alle Versuche, den Antragsteller ins Arbeitsleben einzugliedern, um durch die Erwerbstätigkeit die Hilfebedürftigkeit zumindest zu reduzieren, fehlgeschlagen. Die letzte modulare Fortbildung sei im Jahr 2003 beendet, der letzte Vermittlungsvorschlag im Jahr 2008 unterbreitet worden. Auch zukünftig sei mit einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht zu rechnen. Die in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fälle seien abschließend. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig eine Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB XII drohe, dies sei jedoch nicht zu berücksichtigen, da die Unbilligkeitsverordnung abschließend sei. Im Übrigen müsse der Einkommensverlust infolge der geminderten Altersrente als systemimmanent hingenommen werden. Atypische Umstände seien nicht ersichtlich. Hiergegen hat der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben (Az. S 15 AS 1660/14).
Mit Schreiben vom 25. März 2014 meldete der Antragsgegner einen Erstattungsanspruch bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (Rentenversicherungsträger) an. Hierin wies er darauf hin, dass dieses Schreiben als Rentenantragstellung von Amts wegen für den Antragsteller gelte. Zugleich bat der Antragsgegner um Zusendung einer Rentenauskunft für den Antragsteller.
Am 9. Juli 2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Aufforderung zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente anzuordnen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die streitgegenständliche Entscheidung stelle sich als ermessensfehlerhaft dar. Dem Antragsgegner sei es nicht möglich einzuschätzen, inwieweit eine Arbeitsmarktintegration seiner Person noch möglich sei. Denn ihm sei seit 2008 kein Vermittlungsvorschlag mehr unterbreitet worden. Er sei gesund und in der Lage zu arbeiten und halte regelmäßig - wenn auch erfolglos - Kontakt zu Zeitarbeitsfirmen. Der Antragsgegner müsse auch den von Amts wegen gestellten Rentenantrag für ihn zurücknehmen. Der Antragsgegner hat anhand von Aktenv...