Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Einstiegsgeld zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit. Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit. Fahrtkosten wegen der Arbeitsaufnahme

 

Orientierungssatz

1. Einstiegsgeld kann nach § 16 b Abs. 1 SGB 2 einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Es darf nur gewährt werden, wenn eine Eingliederung anders nicht erreicht werden kann.

2. Es scheidet infolgedessen aus, wenn die Förderung einer bereits ausgeübten Erwerbstätigkeit beantragt wird.

3. Ob die zu einer Arbeitsaufnahme entstehenden Fahrtkosten die Arbeitsaufnahme selbst für den Antragsteller unwirtschaftlich erscheinen lassen, ist unbeachtlich, wenn er erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags bzw. nach Antritt der Beschäftigung die Gewährung von Einstiegsgeld beantragt.

 

Normenkette

SGB II § 16b Abs. 1; SGB I § 39 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau. In der Sache begehrt er in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren die Gewährung von Einstiegsgeld durch den Beklagten.

Der Kläger lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen im Jahr 2007 geborenen Kind. Am 12. März 2010 hat er telefonisch und am 15. März 2010 schriftlich beim Beklagten einen Antrag auf Bewilligung eines Einstiegsgeldes nach § 16b des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II zur Aufnahme einer unbefristeten versicherungspflichtigen Tätigkeit gestellt. Er habe am 11. März 2010 eine Tätigkeit als Netzwerk-/Systemadministrator beim Arbeitgeber Y. T. in M. aufgenommen. Der Stundenlohn betrug ausweislich des Arbeitsvertrages 10,10 EUR brutto bei einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 173,34 Stunden.

Mit Bescheid vom 15. April 2010 lehnte der Beklagte die Gewährung von Einstiegsgeld ab. Bei der Bewilligung sei unter anderem der Lohnabstand zu nicht geförderten Arbeitnehmern zu beachten. Die Gewährung von Einstiegsgeld würde eine Besserstellung des Klägers im Vergleich zu geförderten Arbeitnehmern darstellen. Da es sich bei der Gewährung von Einstiegsgeld um eine "Kann-Leistung" handele und bei der Leistungsgewährung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 SGB II zusätzlich die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen und Mitnahmeeffekte zu vermeiden seien, sei der Antrag abzulehnen. Den vom Kläger unter Verweis auf die hohen monatlichen Fahrtkosten (460 EUR) gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, die vom Kläger erzielte Entlohnung falle nicht in den Niedriglohnsektor in Sachsen-Anhalt. Das Einstiegsgeld diene jedoch als Anreiz zur Aufnahme einer niedrig bezahlten Beschäftigung.

Am 14. Juni 2010 hat der Kläger gegen die Ablehnung der Gewährung des Einstiegsgeldes Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Ohne die Gewährung des Einstiegsgeldes sei die Aufnahme der Tätigkeit aufgrund der hohen Fahrtkosten unwirtschaftlich. Er habe sich bereits am 11. März 2010 vor der Fahrt nach M. beim Beklagten telefonisch erkundigt, ob er Einstiegsgeld erhalten könne. Nachdem dies grundsätzlich bejaht worden sei, habe er geäußert, dieses zu beantragen.

Mit Beschluss vom 4. April 2011 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II seien nicht erfüllt. Hierzu gehöre insbesondere, dass die Erbringung des Einstiegsgeldes zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich sei. Dabei gehe die Kammer davon aus, dass eine Erforderlichkeit im Sinne einer notwendigen Bedingung zu verstehen sei und Einstiegsgeld nur gewährt werden dürfe, wenn eine Eingliederung anders nicht erreicht werden könne. Dabei sei unerheblich, ob die entstehenden Fahrtkosten die Arbeitsaufnahme für den Kläger unwirtschaftlich erscheinen ließen oder ob dies über die absetzbaren Beträge bei der Einkommensanrechnung im SGB II abgefedert werden könnte. Vorliegend habe sich der Kläger verpflichtet, bereits am 11. März 2010 seine Arbeitsleistung zu erbringen. Erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags und Antritt der Beschäftigung habe er beim Beklagten die Gewährung von Einstiegsgeld beantragt. Allein aus dieser zeitlichen Abfolge sei erkennbar, dass die Gewährung von Einstiegsgeld keine conditio sine qua non für die tatsächliche Arbeitsaufnahme dargestellt habe. Durch den zeitlichen Ablauf habe der Kläger auch bei Arbeitsaufnahme nicht darauf vertrauen können, dass der Beklagte das Einstiegsgeld gewähren werde.

Gegen den ihm am 8. April 2011 zugestellten Beschluss hat der ...

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