Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. keine Unbilligkeit
Leitsatz (amtlich)
Die zum 1.1.2017 geänderte Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - juris: UnbilligkeitsV) findet in isolierten Anfechtungsverfahren erst auf Widerspruchsverfahren Anwendung, die nach dem 1.1.2017 abgeschlossen worden sind. Für vor diesem Zeitpunkt ergangene Widerspruchsbescheide gilt die Unbilligkeitsverordnung in der bis 31.12.2016 gültigen Fassung.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der an den Antragsteller ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, vorzeitig Altersrente zu beantragen.
Der am ... 1953 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Unter dem 4. Februar 2015 forderte ihn der Antragsgegner auf, eine Rentenauskunft vorzulegen. Er, der Antragsteller, vollende am … Mai 2016 das 63. Lebensjahr. Der Antragsgegner habe einen Anspruch auf Altersrente gemäß § 12a SGB II zu überwachen. Hierauf reagierte der Antragsteller nicht.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2016 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis spätestens 28. Februar 2016 eine geminderte Altersrente beim Rentenversicherungsträger zu beantragen. Er sei verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei er, der Antragsgegner, zur Entscheidung gekommen, den Antragsteller zur Beantragung dieser vorrangigen Leistung aufzufordern. Komme er dieser Aufforderung nicht nach, könne der Antrag auch durch den Grundsicherungsträger gestellt werden. Es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, die gegen die Beantragung der vorzeitigen Altersrente sprächen. Die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung seien geprüft worden. Keine dieser Voraussetzungen liege hier vor. Auch wenn die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente zu einer finanziellen Einbuße führte, könne nach Abwägung aller Umstände nicht auf deren Bezug verzichtet werden.
Den hiergegen seitens des Antragstellers im Wesentlichen mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Verluste bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente seien erheblich und ein Ermessen sei nicht ausgeübt worden, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2016 als unbegründet zurück.
Am 11. April 2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben mit dem Begehren der Aufhebung der Aufforderung zur Beantragung vorrangiger Leistungen. Gleichzeitig hat er in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 15. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2016 begehrt. Dem Antragsgegner sei die Höhe der vorgezogenen Altersrente nicht bekannt gewesen. Er habe nicht prüfen können, inwieweit diese zur dauerhaften Deckung des Lebensunterhaltes ausreichen könnte. Er hat die Zwangsverrentung für unbillig gehalten.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17. Mai 2016 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, vorliegend spreche nicht mehr für einen Erfolg der Anfechtungsklage als dagegen.
Die Regelungen des § 12a SGB II fänden auf den Antragsteller Anwendung. Dieser habe am 29. Mai 2016 das 63. Lebensjahr vollendet. Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente lägen nicht vor.
Er könnte mutmaßlich nicht i.S.v. § 3 UnbilligkeitsV in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen. Ausweislich der Verordnungsbegründung sei mit "in nächster Zukunft" ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint. Eine abschlagsfreie Altersrente könnte in den nächsten drei Monaten nicht bewilligt werden.
Der Antragsteller übe nach Lage der Akten auch keine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 UnbilligkeitsV aus. Dass eine nicht nur vorübergehende Erwerbstätigkeit bevorstünde, habe er nicht behauptet (§ 5 UnbilligkeitsV).
Ob der Antragsteller in der Lage wäre, den Grundsicherungsbedarf mit einer vorzeitigen Altersrente voll zu decken, sei nicht von Bedeutung für das Vorliegen von Unbilligkeit. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sei auch dann deren vorzeitige Inanspruchnahme zuzumuten, wenn die Hilfebedürftigkeit lediglich verringert werden könne. Die Gründe, die zur Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente führen könnten, seien abschließend geregelt.
Der Antragsgegner habe auch das erforderliche Ermessen in genügender Weise ausgeübt. Die gerichtliche Nachprüfung von Erme...