Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr 2 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Verschulden. fehlende Mitwirkung bei Identitätsfeststellung und Passbeschaffung. unabweisbar gebotene Leistung. Existenzminimum. Verfassungskonforme Auslegung. Einstweilige Anordnung. Statthaftigkeit der Beschwerde. Wert des Beschwerdegegenstandes

 

Leitsatz (amtlich)

§ 1a AsylbLG ist anwendbar. Eine Anspruchseinschränkung setzt das Vorliegen der im Einzelfall zu prüfenden tatbestandlichen Voraussetzungen voraus. Diese liegen vor, wenn die unterlassene Mitwirkung an der Feststellung der Identität und der Beschaffung von Passersatzpapieren ursächlich dafür ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht durchgeführt werden können. Eine Anspruchseinschränkung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit die im Ergebnis bewilligten Leistungen den (aus den einzelnen Bedarfen zu errechnenden) unabweisbaren Bedarf im Einzelfall nicht unterschreiten.

 

Normenkette

AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 1a Nr. 2, § 3; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 100; BVerfGG § 31 Abs. 2 S. 1; SGG § 86b Abs. 2, § 144 Abs. 1, § 172 Abs. 3 Nr. 1

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Beschwerdeverfahren die Verpflichtung des Antraggegners (im Folgenden: Ag.) zur Zahlung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) streitig.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Ast.) wurde am ... 1983 in B. F. geboren. Er reiste am ... 2008 mit gefälschten Papieren auf dem Luftweg nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit am 29. September 2010 bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 27. Februar 2009 ab. Der Ast. verfügte zunächst bis zum 15. Februar 2011 (nach mehrfacher Verlängerung) über eine Aufenthaltsgestattung. Seit Ende dieses Aufenthaltstitels besteht eine Duldung (§§ 60a Abs. 2, 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)), die zuletzt bis zum 15. Mai 2014 verlängert worden ist. Der Ast. wurde mit Bescheid vom 29. Juli 2008 der Gemeinschaftsunterkunft der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in H. zugewiesen. Im Jahr 2012 lebte er vorübergehend in einer eigenen Wohnung.

Der Ast. bezog vom 3. August 2009 bis zum 31. Januar 2012 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von insgesamt 224,96 EUR monatlich (40,90 EUR Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, 132,94 EUR Zusatzleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG, 20,45 EUR Bekleidungshilfe, 30,67 EUR Sachleistungen) bei Übernahme der Kosten der Gemeinschaftsunterkunft (Bescheide vom 4. August 2009)

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 teilte die Ausländerbehörde dem Ast. mit, es bestehe der begründete Verdacht, dass die von ihm gemachten Angaben bezüglich seiner Identität falsch seien. Er werde gem. § 48 Abs. 1 AufenthG aufgefordert, seinen Reisepass bis zum 24. Januar 2012 in der Ausländerbehörde B. abzugeben bzw. belegbar nachzuweisen, dass er bei seiner Auslandsvertretung einen Antrag auf Ausstellung eines Passes bzw. Passersatzes gestellt habe. Sofern der Ast. nicht im Besitz eines Passes sei, habe er den Mitwirkungspflichten gemäß § 48 Abs. 3 AufenthG nachzukommen. Der Ast. werde aufgefordert, ihr bis zum 24. Januar 2012 die in dem Anschreiben genannten Dokumente vorzulegen. Sofern der Ast. nicht im Besitz dieser Originaldokumente sei, sei er verpflichtet, diese über sein Heimatland zu besorgen. Auf die Mitwirkungspflicht gem. § 82 AufenthG werde hingewiesen. Bei Nichterfüllung dieser Aufforderung zum Zweck der Passbeschaffung innerhalb der gesetzten Frist werde die Kürzung der Leistungen beim Sozialamt beantragt werden. Es folgten elf weitere Aufforderungen der Ausländerbehörde an den Ast. (jeweils mit neuer Frist), die Beantragung eines Passes bzw. Passersatzes bei seiner Botschaft nachzuweisen bzw. Originaldokumente vorzulegen (Schreiben vom 25. Januar, 23. Februar, 26. März, 11. Mai, 18. Juni und 15. August 2012, 8. Februar, 18. April, 16. Juli und 15. Oktober 2013 sowie vom 25. Februar 2014). Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 72f., 78f., 80f., 90f., 92f., 98f., 101f., 103f., 109f., 111f. und 114f. des Ergänzungsbandes der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Ab Februar 2012 wurde neben dem an den Ast. laufend ausgezahlten Betrag zuzüglich eines Erhöhungsbetrages in Höhe von 30,67 EUR und abzüglich eines Warmwasseranteils in Höhe von 6,01 EUR (insgesamt 218,95 EUR) die Miete der Wohnung zzgl. Nebenkosten in voller Höhe durch Überweisung an den Vermieter übernommen (Bescheid vom 16. Februar 2012).

Der Ag. hörte den Ast. mit Schreiben vom 27. Januar 2012 zu einer beabsichtigten Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG an, die ab dem 1. März 2012 umgesetzt wurde...

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