Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters. Anforderungen an die Verwertbarkeit eines Gutachtens im Rentenverfahren. Rente wegen Erwerbsminderung. Medizinische Beweiswürdigung. Zeitliches Leistungsvermögen. Ermittlungen von Amts wegen. Urkundenbeweis. Gerichtlicher Sachverständiger. Vorwurf der Rechtsbeugung

 

Orientierungssatz

1. Das gegen einen Richter nach § 60 SGG erhobene Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn der Verfahrensbeteiligte einen Ablehnungsgrund - u. a. Rechtsbeugung - nennt, jedoch eine völlig ungeeignete Begründung zur Rechtfertigung dieses Ablehnungsgesuchs gibt. Aus dem erforderlichen Vortrag muss sich zumindest ansatzweise die Erfüllung des Straftatbestandes der Rechtsbeugung ableiten lassen.

2. Das erkennende Gericht kann selbst über das Ablehnungsgesuch entscheiden, wenn es ungeeignet und ein Eingehen auf den Gegenstand entbehrlich bzw. nicht möglich ist.

3. In einem Rentenverfahren kann das Gericht im Wege des Urkundenbeweises vom Leistungsträger beigezogene Gutachten verwerten und von der Zuziehung eigener Sachverständiger absehen, es sei denn, es handelt sich um einen Sachverständigen, der in einem Dienstverhältnis oder Beschäftigungsverhältnis zum Leistungsträger steht.

 

Normenkette

SGB VI § 43; SGG § 60

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.01.2018; Aktenzeichen B 5 R 336/17 B)

 

Tenor

Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterin am Landessozialgericht ... sowie gegen den 1. Senat des Landessozialgerichts werden als unzulässig verworfen.

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Der am ... 1958 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der 10. Schulklasse von September 1975 bis Juli 1977 eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenmonteur (MAM). Er war im Anschluss daran bis Mai 1982 als Schweißer, von November 1983 bis September 1984 als Monteur, von November 1984 bis Mai 1990 als Schlosser und zuletzt von Juni 1990 bis November 1999 als Industrieanstreicher und Handwerker bei dem Korrosionsschutzbetrieb D. K. in H. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seinen Angaben hatte der Kläger Maler- und Lackiererarbeiten an Fassaden, Korrosionsschutztätigkeiten an Gebäuden und Fahrtätigkeiten zur Arbeitsstelle ausgeübt. Anschließend war er arbeitslos. Von Mai 2001 bis November 2003 absolvierte er über die Agentur für Arbeit eine modulare IT-Qualifizierung und erwarb das Zertifikat zum Microsoft Certified Professional Systems Engineer.

Er beantragte am 26. Juni 2006 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Wegen der Folgen eines am 27. Juni 2005 erlittenen Herzinfarkts könne er keine Tätigkeit mehr verrichten.

Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik ... GmbH vom 19. Mai 2005 über die vom Kläger vom 12. Juli bis 2. August 2005 absolvierte Rehabilitationsmaßnahme bei. Als Diagnosen werden eine koronare Drei-Gefäßerkrankung, ein Myokardinfarkt, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipoproteinämie und eine Hyperurikämie genannt. Bei den am 15. und 28. Juli 2005 durchgeführten Fahrradergometrien sei der Kläger bis 100 Watt belastbar gewesen. Der Abbruch sei jeweils wegen muskulärer Erschöpfung bzw. "Unlust des Patienten" ohne Angina pectoris und ohne Herzrhythmusstörungen erfolgt. Die Ausdauertrainingsleistung habe bei der Aufnahme 30 Watt, bei der Entlassung 85 Watt über 20 Minuten betragen. Eine beginnende physische Rekonditionierung (Erhöhung der Ausdauerbelastbarkeit) habe erreicht werden können. Eine aus internistischer Sicht durchaus mögliche höhere Ausdauerbelastungsleistung sei durch eine für die Reha-Klinik nicht nachvollziehbare Belastungslimitierung seitens des Klägers verhindert worden. Unter der Voraussetzung einer komplikationsfreien Rekonvaleszenz und Festigung der Rehabilitationsergebnisse sowie einer gelungenen ambulanten Rekonditionierung könne die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit als Ingenieur wieder aufgenommen werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten dann mittelschwere körperliche Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen, Gehen oder Stehen für sechs Stunden und mehr täglich ausgeübt werden. Nennenswerte Einschränkungen des qualitativen Leistungsbildes seien nicht zu beachten. Alltags- und Wegefähigkeit seien gegeben.

Nach Einholung eines Berichtes von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. vom 30. Juni 2006 hat die Beklagte den Facharzt für Innere Medizin Ministerialrat (MR) Dr. P. das Gutachten vom 17. Oktober 2006 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung vom 4. Oktober 2006 erstatten lassen. Der Kläger habe über mehrmals täglich auftretende Herzschmerzen, verbunden mit Schweißausbrüchen und Kribbeln in den Händen, sowie Schwindel geklagt. Er habe sich in einem guten Allgemeinzustand und normalem Ernährungszustand mit einem ansonsten altersentsprechenden inte...

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