Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger oder nahestehende Person. nichtehelicher Lebensgefährte. Aufenthaltsrecht zum Familiennachzug
Leitsatz (amtlich)
1. Die nichteheliche Lebensgefährtin eines als Arbeitnehmer beschäftigten Unionsbürgers gehört nicht zu dessen Familienangehörigen iS von § 2 Abs 2 Nr 6 FreizügG/EU (juris: FreizügG/EU 2004). Sie genießt auch nicht nach § 3a FreizügG/EU als nahestehende Person iS von § 1 Abs 2 Nr 4 Buchst c FreizügG/EU Freizügigkeit, sofern ihr Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Sofern sich ihr Aufenthaltsrecht ansonsten allenfalls aus einer Arbeitsuche ableiten ließe, ist sie von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
2. Auch wenn eigene Kinder mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit in dem Haushalt der nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, folgt hieraus kein Aufenthaltsrecht zum Familiennachzug gemäß § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG (juris: AufenthG 2004).
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Anträge auf Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten werden abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im folgenden Antragsteller) begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 1) bis 3) haben seit dem Juni 2019 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Der am ... 2000 geborene Antragsteller zu 1) und die am ... 2002 geborene Antragstellerin zu 2) sind die Eltern der am ... 2018 geborenen Antragstellerin zu 3) und des am ... 2020 geborenen Antragstellers zu 4). Sie wohnen in einer Wohnung, deren Grundmiete monatlich 675 Euro beträgt. Es sind Vorauszahlungen für Nebenkosten i.H.v. 110 Euro sowie (erstmalig ab dem 1. Dezember 2020) Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser i.H.v. 80 Euro zu leisten. Seit dem 15. Oktober 2020 sind sie in dieser Wohnung gemeldet. Die Wohnung wird von weiteren zwei Personen genutzt. Dabei handelt es sich um Herrn D1 und Frau D2. Herrn D1, dem Vater des Antragstellers zu 1), war bis zur Volljährigkeit der Antragstellerin zu 2) gemäß dem Beschluss des Familiengerichts Halle vom 15. Oktober 2020 die elterliche Sorge als Pflegeperson übertragen (§ 1630 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).
Der Antragsteller zu 1) legte beim Antragsgegner einen am 9. März 2020 unterzeichneten Arbeitsvertrag für geringfügige und Teilzeit-Beschäftigung vor, wonach er ab dem 9. März 2020 befristet bis zum 31. Dezember 2020 bei der Firma Firma B (Inhaber B1) als Bauhelfer angestellt worden sei. Die Arbeitszeit solle 7 Stunden wöchentlich bei einer Vergütung von 12,20 Euro je Stunde betragen. Nähere Angaben zum Urlaubsanspruch enthält der Vertrag nicht; der Urlaub richte sich nach dem Bundesurlaubsgesetz bzw. den anzuwendenden tariflichen Regelungen. Nach einem weiteren, am 11. Januar 2021 unterzeichneten Arbeitsvertrag sei der Antragsteller zu 1) erneut bei der Firma Firma B ab dem 11. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 als Bauhelfer mit einer Arbeitszeit von 7 Stunden wöchentlich und einer Entlohnung gemäß dem Mindestlohn für das Baugewerbe Ost angestellt worden. Für die Dauer des Urlaubsanspruchs ist in dem Arbeitsvertrag nichts eingetragen worden, aber erneut auf das Bundesurlaubsgesetz bzw. die anzuwendenden tariflichen Regelungen verwiesen worden.
Der Antragsgegner gewährte den Antragstellern bis zum 31. Januar 2021 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (zuletzt mit Bescheid vom 11. Januar 2021). In Bezug auf die Antragstellerin zu 2) beruhte dies auf einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts (Beschluss vom 10. Dezember 2020, Az. S 29 AS 1707/20 ER).
Der Antragsteller zu 1) beantragte am 11. Januar 2021 für sich und die weiteren Antragsteller die Weiterzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Er vermerkte in den Antragsunterlagen, er werde Einkommen aus einer Beschäftigung haben.
Nach einem hierüber gefertigten Vermerk sprachen Mitarbeiter des Antragsgegners am 3. Februar 2021 mit dem Antragsteller zu 1) über seine Beschäftigung bei der Firma B. Hiernach habe der Antragsteller zu 1) angegeben, als Bauhelfer eingesetzt zu werden. Er erhalte daher nur kurze Einsätze. Er werde von einem Bekannten angerufen, wenn er eingesetzt werden solle. Es gebe ca. 15 Arbeitskollegen. Der Lohn werde teilweise in bar und teilweise per Überweisung gezahlt. Er habe bereits Urlaub genommen, könne aber nicht mehr sagen, wann dies genau gewesen sei. Der Arbeitgeber fordere ihn auf, Urlaub zu nehmen, wenn er keine Arbeit mehr habe. Auf Nachfrage könne jemand von der Baustelle bestätigen, dass er dort arbeite. In der Folge sei ein Außendiensttermin erfolgt. Auf der Bau...