Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. keine Doppelversorgung mit Sitzschale. Schülerbeförderung. Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Im Land Sachsen-Anhalt ist es gem 71 Abs 2 SchulG LSA (juris: SchulG ST) Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Schülerbeförderung, die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler ua der Förderschulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten.
2. Zur Durchführung des Transportes unter zumutbaren Bedingungen gehört auch das Mitführen einer Sitzschale, auf die ein schwerstbehinderter Schüler ständig angewiesen ist. Weigert sich das mit der Durchführung des Transportes beauftragte Unternehmen, die Sitzschale mitzuführen, hat der Landkreis/die kreisfreie Stadt für eine ordnungsgemäße Durchführung des Transportes Sorge zu tragen oder den Erziehungsberechtigten anderweitig die notwendigen Transportaufwendungen zu erstatten.
3. Eine Versorgung mit einer zweiten Sitzschale durch die Krankenkasse (zu Hause und am Schulort) scheidet aus, weil sie nicht notwendig iSv §§ 12 Abs 1, 33 Abs 1 SGB 5 ist.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Mai 2009 - S 7 KR 68/09 ER - abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insgesamt abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Zweitversorgung des Antragstellers mit einer passgerechten Sitzschale.
Der 1998 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin im Rahmen der Familienversicherung nach § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) krankenversichert. Er leidet an einer Bein- und linksbetonten spastischen tetraplegischen Zerebralparese. Er kann weder gehen, stehen, sitzen, sich aufrichten, drehen oder krabbeln und ist der Pflegestufe III in der Pflegeversicherung zugeordnet. Der Antragsteller besucht die Gehörlosen- und Blindenschule in H ... Die Beförderung von seinem Wohnort in O. zur Schule wird vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Auftrag des Landkreises Börde mittels Behindertentransportwagen durchgeführt.
Im Oktober/November 2007 wurde der damals zehnjährige Antragsteller von der Antragsgegnerin mit einer neuen passgerechten Sitzschale nebst Untergestell versorgt. Unter Einreichung einer ärztlichen Verordnung vom 22. Januar 2008 und eines Kostenvoranschlages über ca. 3.650,00 EUR beantragte der Antragsteller am 28. Februar 2008 eine weitere Versorgung mit einer passgerechten Sitzschale. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 17. März 2008 unter Hinweis auf die bestehende Versorgung ab. Mit Widerspruch vom 2. August 2003 verwies die Mutter des Antragstellers darauf, dass dieser zwei Sitzschalen verwende. In der Schule benutze er die Neuversorgung aus dem Jahr 2007, zu Hause dagegen eine ältere Sitzschale aus dem Jahre 2003, die zu klein geworden sei. Die Antragsgegnerin überzeugte sich hiervon durch einen Hausbesuch. Eine Neuversorgung lehnte sie gleichwohl unter Hinweis auf die dem Landkreis im Rahmen der Jugendhilfe obliegende Personenbeförderung zur Ermöglichung des Schulbesuchs ab. Sie stellte allein die Neuversorgung mit einem zweiten Untergestell in Aussicht, damit die im Schülertransport mitgeführte Sitzschale sowohl zu Hause als auch in der Schule verwendet werden könne. Nachdem der Antragsteller an seinem Widerspruch festhielt, wies die Antragsgegnerin diesen mit Bescheid vom 3. November 2008 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach dem Hilfsmittelverzeichnis allein die Mehrfachausstattung mit einem weiteren Untergestell ausnahmsweise in Betracht komme (Kosten ca 1.000,00 EUR). Die Versorgung mit einer weiteren Sitzschale sei nicht erforderlich, da die vorhandene Sitzschale beim Schultransport jeweils mitgeführt werden könne. Hiergegen hat der Antragsteller am 3. Dezember 2008 Klage erhoben (S 7 KR 348/08 Sozialgericht Magdeburg), über die noch nicht entschieden ist.
Mit seinem am 20. März 2009 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache die Kosten einer weiteren passgerechten Sitzschale zu übernehmen. Er hat geltend gemacht, dass für den Transport der Sitzschale in dem Fahrzeug des DRK kein Platz vorhanden sei. Auch bestehe die Gefahr, dass die Sitzschale versehentlich in der Schule verbleibe.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, dass allein die Gefahr einer Unaufmerksamkeit des Fahrpersonals des DRK die Versorgung mit einer zweiten Sitzschale nicht rechtfertige. Im Übrigen bedeute die vorläufige Versorgung zugleich eine Vorwegnahme der Hauptsache, da der Antragsteller zur Erstattung der Kosten im Falle seines Unterliegens im Hauptsacheverfahren finanziell nicht in der Lage sei.
Das Sozialgericht hat die schr...