Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG. Anwendbarkeit trotz Verfassungswidrigkeit der Höhe der Grundleistung. Verwerfungsmonopol des BVerfG. keine migrationspolitischen Gründe. Gleichbehandlung mit Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Mitwirkung bei Feststellung der Staatsangehörigkeit und Beschaffung von Passersatzpapieren
Leitsatz (amtlich)
§ 1a AsylbLG ist anwendbar. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1a AsylbLG nicht entschieden, obwohl hierzu die Befugnis gem § 78 S 2 BVerfGG bestand. Die Nichtanwendung einer gesetzlichen Norm - hier des § 1a AsylbLG - greift in das Verwerfungsmonopol des BVerfG ein. § 1a AsylbLG hat den Charakter einer Einzelfallregelung mit hohen Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung. Insoweit stehen gerade keine (allgemeinen) migrationspolitischen Erwägungen im Vordergrund, sondern es handelt sich um Sanktionen im Einzelfall. Deren Einführung mit dem Ziel der Angleichung an die Regelungen im BSHG waren für den Gesetzgeber die maßgebende Motivation bei Erlass der Vorschrift mit Wirkung zum 1.9.1998. Die Nichtanwendbarkeit des § 1a AsylbLG hätte eine nicht begründbare Privilegierung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG insbesondere gegenüber dem Adressatenkreis der Sanktionen nach dem SGB 2 zur Folge. Liegen die Tatbestandvoraussetzungen des § 1a AsylbLG vor, besteht lediglich Anspruch auf Leistungen zur Abdeckung des unabweisbaren Bedarfs.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2013 aufgehoben, soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, den Antragstellern vorläufig bis zu einem bestandskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ohne die an die Vermieterin ausgezahlten Leistungen insgesamt für November und Dezember 2012 von mehr als 373,24 EUR und ab dem 1. Januar 2013 von mehr als 380,06 EUR monatlich zu zahlen. Im Umfang der Abhilfe mit dem Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. März 2013 wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern ein Siebtel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist im Beschwerdeverfahren noch die vom Sozialgericht beschlossene Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ag.) zur Zahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von insgesamt weiteren 120,00 EUR monatlich ab dem 1. November 2012 streitig.
Die am .. 1960 bzw. am .. 1968 geborenen Antragsteller (Ast.) zu 1) und 2) reisten am 7. August 2004 nach Deutschland ein und stellten am 11. August 2004 jeweils einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die Asylanträge der Ast. mit am 18. November 2008 bestandskräftig gewordenen Bescheiden ab.
Nach ihren Angaben sind die Ast. im Dorf "M." (in der Nähe von Jerewan, Armenien) geboren und dort zur Schule gegangen; zumindest bis 1988 hätten sie dort gelebt. Danach hätten sie in Irkutsk und vor ihrer Einreise nach Deutschland in einem Dorf in der Nähe von Tambow, Russische Föderation, gelebt. Sie gaben im Asylverfahren an, russisch, kurdisch und armenisch zu sprechen. Die Staatsbürgerschaft der Ast. ist bisher nicht festgestellt. Im Ergebnisbericht des Russischen Migrationsdienstes vom 21. Juli 2011 ist die Russische Staatsangehörigkeit für die Ast. nicht bestätigt worden. Sie seien weder unter den letzten Anschriften noch unter dem letzten Aufenthaltsort im Territorium der Russischen Föderation registriert. Auf Grund der am 19. bzw. 21. September 2011 durchgeführten Sprachanalyse sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Herkunftsregion Armenien für die Ast. anzu-nehmen. Während des Verwaltungsverfahrens ist von den Ast. eine Herkunft aus der Konfliktregion Bergkarabach angegeben worden. Das Verwaltungsgericht Magdeburg (VG) hat die Klagen der Ast. auf Feststellung von Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungshindernissen (Urteil vom 1. Oktober 2008 - 3 A 244/06 MD -) unter Zugrundelegung einer früheren russischen Staatsangehörigkeit und einer überwiegend wahrscheinlichen amtlichen Registrierung im Herkunftsland abgewiesen. Seit dem 19. November 2008 verfügen beide Ast. über eine Duldung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Der Vollziehung der Verpflichtung zur Ausreise stehen derzeit die fehlenden Ausweispapiere der Ast. entgegen. Die Botschaft der Republik Armenien lehnte auf der Grundlage der vorhandenen Angaben die Ausstellung von Passersatzpapieren unter dem 21. November 2012 ab.
Die Ast. wohnen seit dem 1. September 2010 in einer Mietwohnung der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft. Allein aus dem Zeitraum ab Oktober 2012 sind mehrere Zahlungsverpflichtungen auf Gr...