Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. selbstständige Arbeit als Hausmeister. Kleingewerbe. Einkommensprognose. kein Abzug nicht notwendiger Betriebskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Geltend gemachte Betriebskosten (Gewerberaummiete, Kfz-Kosten) können im Rahmen der Einkommensprognose bei Kleingewerbetreibenden nur berücksichtigt werden, wenn die betriebliche Notwendigkeit für die konkret ausgeübte selbstständige Tätigkeit nachvollziehbar begründet und belegt wird.
2. Der Anordnungsgrund setzt eine akute, aktuell andauernde wirtschaftliche Notlage voraus. Dem Antragsteller ist es regelmäßig zuzumuten, seine Ersparnisse einzusetzen und auf Bargeldreserven zurückzugreifen. Eine einstweiligen Anordnung kann nicht auf "Vorrat" zum Schutz von Schonvermögen und Einkommensfreibeträgen erhoben werden.
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch in den Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragssteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) macht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) geltend und wehrt sich gegen einen ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss.
Der am ... 1958 geborene Antragsteller sowie seine am ... 1952 geborene Ehefrau stehen mindestens seit dem Jahr 2008 im Leistungsbezug nach dem SGB II und bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Der Antragsteller betreibt als Selbständiger seit dem Jahr 2009 einen Hausmeisterservice, aus dem er Einnahmen erzielt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnt er eine Mietwohnung in K. Hierfür muss er monatlich insgesamt 577,00 EUR aufwenden (Grundmiete: 350,00 EUR; Betriebskostenvorauszahlung: 100,00 EUR; Heizkostenvorauszahlung: 127,00 EUR bis Oktober 2014, 100,00 EUR ab November 2014).
Am 2. Juli 2014 stellte der Antragsteller für sich und seine Ehefrau einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner). In der Anlage zur vorläufigen oder abschießenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) gab er an: Er sei seit 2. Juni 2009 als Kleinunternehmer im Bereich Hausmeisterservice tätig und rechne mit monatlichen Betriebseinnahmen für den Bewilligungsabschnitt in Höhe von 613,00 EUR, d.h. insgesamt von 3.681,00 EUR. Von diesen Einnahmen seien seine gewerblichen Unterkunftskosten (170,00 EUR), der Wareneinkauf von 10,00 EUR, die Kfz-Versicherung von monatlich 17,29 EUR und an Fahrtkosten monatlich 30,00 EUR sowie Werbungskosten in Höhe von monatlich 16,91 EUR sowie Kosten für Büromaterial (10,00 EUR), Telefon (10,00 EUR) und Aufwendungen für den Geldverkehr in Höhe von 5,00 EUR monatlich abzuziehen. Dementsprechend beliefen sich die Betriebskosten auf 269,20 EUR, was den Betriebsgewinn auf 369,30 EUR reduziere.
Wegen seines Kleingewerbes kam es am 17. Juli 2014 zu einem Gespräch zwischen dem Sachbearbeiter des Antragsgegners G. und dem Antragsteller. Nach dessen Gesprächsvermerk seien die gewerblichen Unterkunfts- sowie die Kfz-Kosten erörtert worden. Der Antragsgegner habe auf der Führung eines Fahrtenbuches bestanden, was der Antragsteller unter Hinweis auf die durchgeführte elektronische Dokumentation abgelehnt habe. Nach dem Ergebnis des Außentermins am 4. Juni 2014 sei die Notwendigkeit der gewerblichen Unterkunftskosten nicht belegt. Für den Hausmeisterservice sei kein Massagesalon notwendig; der Antragsteller habe dafür auch keine Einnahmen angegeben. Nach einem weiteren Gesprächsvermerk des Antragsgegners vom 12. August 2014 erfolgte eine Betriebsbesichtigung. In den beiden vorgeblich gewerblich genutzten Räumen hätten sich zwei Couchgarnituren, zwei Wohnzimmertische, einige Wohnzimmerschränke, ein Fernseher und ein DVD-Player sowie eine Massageliege befunden. Der Antragsteller habe die Absicht bekundet, die beiden Räume als Büro und ab Mitte 2015 auch als Massagesalon zu betreiben. Zur Frage der Preisgestaltung und Organisation der beiden unterschiedlichen Gewerbe habe der Antragsteller wörtlich erklärt: "Das wird schon." Die Nutzung des Büros sei fraglich. Auf dem Couchtisch habe sich ein Laptop befunden. Ein Büroarbeitsplatz sei dagegen nicht vorhanden. Es sei einzuschätzen, dass die Büroarbeit für den Hausmeisterservice auch ohne diese Räumlichkeiten erbracht werden könne. Aktuell betreue der Antragsteller lediglich wenige Mehrfamilienhäuser. Einnahmen und Ausgaben stünden in einem auffälligen Missverhältnis.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2014 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller sowie seiner Ehefrau für die Monate August 2014 bis Januar 2015 monatlich pro Person 399,49, d.h. insgesamt 798,97 EUR. Die Ermittlung des Bedarfs ergebe sich aus folgender Berechnung:
Grundmiete: 350,00 EUR
Tatsächliche Heiz- und Warmwasserkosten: 127,00 EUR
Nebenkosten: 100,00 EUR
Tatsächliche KdU-Kosten: 577,00 EUR
abzüglich 90,00 EUR unangemessene...