Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Anwendung von § 7a Abs 7 S 1 SGB 4 in Verfahren über die Betriebsprüfung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. nicht personenbezogener Beitragssummenbescheid führt nicht zu einer abschließenden Statusfeststellung
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendbarkeit von § 7a Abs 7 S 1 SGB IV ist in Verfahren über die Betriebsprüfung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl LSG Halle vom 21.12.2016 - L 3 R 126/16 B ER = juris). Gleichzeitig führt ein nicht personenbezogener Beitragssummenbescheid nicht zu einer abschließenden Statusfeststellung für die betroffenen Personen, für die eine Beitragspflicht festgestellt wird.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Mai 2017 geändert und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 18. Juni 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Juni 2015 abgelehnt, soweit die Beitragsforderungen nicht K.-H. A., U. B., S. B., F. F., V. K., J. K., T. L., A. L., R. L., K. P., E. R., W. W., B., Z. B., P. G., T. H., N. H., I. H., A. H., D. K., T. K. J. K. O. M. M. M. M. P. D. P. S. R. P. R. D. S. H.-J. W. und M. Z. sowie R. M. betreffen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht tragen die Antragstellerin zu sechs Siebteln und die Antragsgegnerin zu einem Siebtel. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 73.995,31 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von 219.542,75 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen Anmeldung von Kraftfahrern in allen Zweigen der Sozialversicherung sowie die von der Antragsgegnerin in Bezug auf diese Beiträge geltend gemachten Säumniszuschläge in Höhe von 76.438,50 EUR.
Bei der Antragstellerin (im Folgenden: Ast.) handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit dem Unternehmensgegenstand Achsüberführung von Pkw und Kleintransporten (Neu- und Gebrauchtfahrzeuge), von Lkw bis 12 t mit Anhänger, von Schwerlastfahrzeugen (Bootsüberführungen), In- und Auslandsüberführungen sowie Handel mit Pkw aller Art. Die Ast. stellt regelmäßig im eigenen Namen die Kosten von ihr durchgeführter Überführungen anderen Logistikunternehmen in Rechnung. Bei Kontrollen wurden mehrfach Fahrer mit Wohnsitz in der S. im Rahmen der Durchführung von Überführungsfahrten der Ast. angetroffen, die jeweils keine Unterlagen über die Grundlage ihrer Tätigkeit in Deutschland mitführten. Aus den Verwaltungsakten sind Rechnungen für Überführungsfahrten von Unternehmen, die regelmäßig Überführungen durchführen, und Personen, die nicht solchen Dienstleistungen zuzuordnende Gewerbe (z.B. Matratzenreinigung, Eventservice oder Bewirtschaftung von Festzelten) betreiben, zu entnehmen. Für die nicht in Deutschland registrierten Unternehmen ist ein tatsächlich eingerichteter Gewerbebetrieb nicht zu ermitteln gewesen.
Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag.) führte ab dem 7. November 2013 bei der Ast. eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 durch. Die Ast. teilte der Ag. unter dem 13. Mai 2014 mit, es befänden sich keine Unterlagen mehr in ihrem Betrieb. Auf Grund der Anschaffung eines neuen Computers befänden sich auch auf diesem keine älteren Dateien. Der Ast. sei deshalb keine Zuarbeit möglich. Die Ag. schrieb daraufhin die Personen/Unternehmen an, die der Ast. in dem streitgegenständlichen Zeitraum Rechnungen gestellt hatten. Im Übrigen wertete sie die Unterlagen des Hauptzollamts M. aus dem gegen den Geschäftsführer der Ast. gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt der Staatsanwaltschaft M. (559 Js 3672/13) aus.
Die Ag. erließ nach Anhörung der Ast. mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 den Nachforderungsbescheid vom 5. Juni 2015. Die sich aus der Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 ergebende Nachforderung betrage 341.305,22 EUR. Darin seien 90.494,50 EUR Säumniszuschläge enthalten. Die im Prüfzeitraum vorzunehmende Beurteilung der Fahrdienstleister habe zu dem Ergebnis geführt, für die nachfolgend benannten zwölf Personen habe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) mit einer Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bestanden. Von weiteren 20 Personen sei der Fragebogen nicht zurückgesandt worden bzw. seien Anschriften und nähere Angaben zur Tätigkeit von Amts wegen nicht mehr ermittelbar gewesen. Die Aufzeichnungspflichten seien von der Ast. nicht ordnungsgemäß erfüllt worden. In Bezug auf die...