Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund und -anspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Leistungsversagung gem § 66 SGB 1. Nichtvorlage von Kontoauszügen. Einsatz verfügbaren Vermögens. Vorrang der erneuten Antragstellung. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller sofort verfügbares Sparvermögen hat. Es ist ihm zuzumuten, zunächst Sparbeträge als bereite Mittel zur Deckung des Bedarfs einzusetzen, auch wenn es sich um Schonvermögen handelt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht "auf Vorrat" betrieben werden, sondern setzt eine akute finanzielle Notlage voraus.
2. Bloße Umsatzabfragen haben nicht die Beweiskraft von lückenlosen Kontoauszügen.
3. Es ist einem Leistungsberechtigten auch bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB 2 regelmäßig zumutbar, sich mit einem Leistungsbegehren zunächst an den Leistungsträger zu wenden. Dies gilt auch dann, wenn dieser zuvor bereits mit der Angelegenheit befasst war und der Antragsteller erstmals im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch Vorlage von geeigneten Unterlagen seine Hilfebedürftigkeit belegt. Reagiert der Leistungsträger in diesem Fall umgehend, bedarf es keiner einstweiligen Anordnung mehr.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. August 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II), nachdem ihm wegen mangelnder Mitwirkung Leistungen vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Im Folgenden: Antragsgegner) versagt worden sind.
Der 1960 geborene Antragsteller bewohnt eine 39,86 qm große Mietwohnung und hat hierfür eine Grundmiete von 204,48 EUR zuzüglich 0,77 EUR (Kellerlicht) sowie ab 1. Dezember 2013 119,04 EUR an Betriebskostenvorauszahlung, d.h. insgesamt 324,29 EUR zu zahlen. Bis zum 31. August 2013 bezog er Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller in einem Schreiben vom 31. März 2013 auf, die Kündigung eines zuvor bestehenden Bausparvertrages sowie einen aktuellen Kontoauszug über diesen Vertrag vorzulegen. Das Schreiben enthielt eine Belehrung nach §§ 60 bis 62 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) sowie den Gesetzestext der genannten Vorschriften. Mit Bescheid vom selben Tage verlangte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. November 2012 bis 28. Februar 2013 die Erstattung von insgesamt 180,21 EUR. Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 26. März 2013, der mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 zurückgewiesen wurde. In einem weiteren Schreiben vom 12. April 2013 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller erneut, eine Kündigung des Bausparvertrages sowie einen Kontoauszug des Girokontos vorzulegen und setzte hierfür eine Frist bis zum 25. April 2013. Die Nichtvorlage der Unterlagen könne zum Entzug von Geldleistungen nach §§ 60, 66, 67 SGB I führen.
Am 13. August 2013 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14. August 2013 versagte der Antragsgegner die Leistungsgewährung unter Hinweis auf §§ 60, 66 SGB I. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 21. März 2013 und 14. April 2013 zur Vorlage der Kündigung des Bausparvertrages sowie von aktuellen Kontounterlagen aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass der Antragssteller nach seiner am 4. März 2013 vorgelegten Anlage erklärt hatte, er besitze den Bausparvertrag nicht mehr. Trotz zweifacher Aufforderung habe der Antragsteller dazu keine Erklärungen abgegeben und auch keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Sollten die notwendigen Unterlagen bis zum 9. September 2013 eingereicht werden, werde die Leistungsprüfung ab Beginn der Versagung erfolgen. Bei einem späteren Eingang der Unterlagen könne die Hilfebedürftigkeit erst ab dem Ersten des Monats, in dem die Unterlagen vollständig eingegangen sind, geprüft werden. Hiergegen legte der Antragsteller am 20. August 2013 Widerspruch ein, der nicht begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2013 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Dagegen hat der Antragsteller am 3. Dezember 2013 beim SG Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben (S 27 AS 2885/13). In der nicht-öffentlichen Sitzung vom 11. Februar 2014 hat der Antragsteller erklärt, er habe den Bausparvertrag nicht gekündigt und sei davon ausgegangen, dass dem Antragsgegner seit 2007 dieser Vertrag bekannt gewesen sei. Der Antrags...