Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Anwendung bei Nichterkennbarkeit eines anderer Aufenthaltsgrundes. Europarechtskonformität bei Nichtvorliegen einer tatsächlichen Arbeitsmarktverbindung
Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 liegen auch dann vor, wenn es sich bei den Betroffenen um Personen handelt, die als Arbeitsuchende Leistungen nach dem SGB 2 beantragt haben und bei denen nicht ersichtlich ist, dass sich die das Aufenthaltsrecht vermittelnde Freizügigkeit aus anderen Gründen ergeben kann, als aus § 2 Abs 1 Nr 1a FreizügG/EU (juris: FreizügG/EU 2004). Der Leistungsausschluss verstößt nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, sofern nicht ein Betroffener vor Eintritt der Arbeitslosigkeit schon in den deutschen Arbeitsmarkt eingetreten war und somit eine Nähe zu diesem Arbeitsmarkt besteht.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsteller Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) haben.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Der am ... 1993 geborene Antragsteller zu 1. und die am ... 1999 geborene Antragstellerin zu 2. leben als nicht verheiratetes Paar zusammen; die am ... 2013 geborene Antragstellerin zu 3. ist das gemeinsame Kinder der Vorgenannten. Der Antragsteller zu 1. ist nach seinen Angaben im Juli 2013 nach Deutschland eingereist. Nach den Angaben in der Anmeldebestätigung des Einwohnermeldeamts der Stadt H. ist er am 26. August 2014 mit in die Wohnung seiner schon in H. lebenden Eltern gezogen. Die Antragstellerin zu 2. ist nach den Angaben in der Anmeldebestätigung mit der Antragstellerin zu 3. am 15. Oktober 2013 dann ebenfalls aus Rumänien kommend in die Wohnung der Familie des Antragstellers zu 1. eingezogen.
Am 1. November 2013 stellten die Antragsteller beim Antragsgegner erstmals Anträge auf die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach Ablehnung der Anträge führten die Antragsteller einstweilige Rechtsschutzverfahren. Der Senat verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 14. Juli 2014 (L 2 AS 288/14 B ER), den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 26. Mai bis zum 31. Oktober 2014 zu gewähren. Das Sozialgericht Halle (SG) sprach in einem weiteren Verfahren eine entsprechende Verpflichtung für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 31. Januar 2015 aus (S 29 AS 4710/14 ER). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die den Beteiligten bekannten Beschlüsse Bezug genommen. Eine Weiterbewilligung für die Zeit ab dem 1. Februar 2015 lehnte der Antragsgegner unter Berufung auf den Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab.
Die Antragsteller haben am 27. März 2015 beim SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, ihnen "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu zahlen". Zur Begründung haben sie ausgeführt, die Ablehnung von Leistungen ihnen gegenüber finde keine rechtliche Grundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Die Antragsteller zu 1. und 2. hielten sich nicht ausschließlich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland auf, sondern seien zur Familienzusammenführung eingereist. Es bestünden auch erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Europäischem Gemeinschaftsrecht.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 8. April 2015 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antragsteller zu 1. sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Diese Regelung sei auch mit dem Europäischen Recht vereinbar. Auch die anderen Antragsteller hätten keine Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigtem 23. April 2015 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 23. April 2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat ihr Verfahrensbevollmächtigter vorgetragen: Es beständen erheblich Zweifel an der Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Recht. Schon weil eine abschließende Beurteilung im Eilverfahren nicht möglich sei, müsse im Rahmen einer Folgenabwägung entscheiden werden. Diese falle zugunsten der Antragsteller aus. Selbst wenn Rumänien die Europäische Sozialcharta ratifiziert habe, sei eine wirkliche Umsetzung durch entsprechende, existenzsichernde Regelungen im nationalen Recht nicht gelungen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. April 2015 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 27. März 2015 (Eingang des einstweiligen Rechtsschutzantrags) bi...