Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. gerichtlich bestellter Sachverständiger. nicht rechtzeitige Gutachtenerstattung. Voraussetzungen der Verhängung eines Ordnungsgeldes. keine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss. Nachfrist. Ermessensentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Auseinandersetzung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen wegen nicht rechtzeitiger Gutachtenerstattung.
Normenkette
ZPO § 411 Abs. 1-2; EGStGB Art. 6 Abs. 1; SGG § 118 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 13. September 2017 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin (im Weiteren: Bf.) wendet sich gegen die Auferlegung eines Ord-nungsgeldes wegen nicht rechtzeitiger Gutachtenerstattung.
Mit Beweisanordnung vom 14. Juni 2016 ist die Bf. zur Sachverständigen ernannt worden. Auf die Anfragen des Sozialgerichts vom 2. Januar und 7. März 2017, wann mit der Über-sendung des Gutachtens zu rechnen sei, hat die Bf. nicht reagiert. Mit Beschluss vom 16. Mai 2017 ist der Bf. zur Erstattung des Gutachtens eine "Nachfrist" bis zum 20. Juni 2017 gesetzt worden. Für den Fall des fruchtlosem Ablaufs der "Nachfrist" werde die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 1.000,00 EUR angedroht. Zur Begründung des Beschlusses ist ausgeführt, im Interesse einer Prozessbeschleunigung gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 411 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sei eine Frist zur Erstattung des Gutachtens zu setzen. Eine weitere Verzögerung des Rechtsstreits erscheine nicht mehr vertretbar. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist werde das Gericht nunmehr ein Ordnungsgeld gegen die Sachverständige festsetzen. Der Beschluss ist ausweislich der durchgeführten Sendungsverfolgung bei der Deutschen Post AG der Bf. am 22. Mai 2017 zugestellt worden.
Mit Beschluss vom 13. September 2017 hat das Sozialgericht Halle gegen die Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 800,00 EUR gemäß § 202 SGG i.V.m. § 411 Abs. 2 ZPO festgesetzt, da sie das Gutachten nicht innerhalb der durch Beschluss vom 16. Mai 2017 bis zum 20. Juni 2017 "gesetzten Frist (Nachfrist)" erstattet habe. In den Gründen heißt es, die Sachverständige habe ohne Grund die Anfragen und das Zuwarten des Gerichts unbeachtet gelassen und damit Gründe für die Verzögerung der Erstattung des Gutachtens nicht vorgetragen. Gleichzeitig werde der Sachverständigen eine weitere Frist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 31. Oktober 2017 gesetzt. Für den Fall des fruchtlosem Ablaufs dieser Frist werde ein weiteres Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1.000,00 EUR angedroht.
Das unter dem 10. August 2017 erstellte Gutachten ist am 22. September 2017 bei dem Sozialgericht eingegangen.
Gegen den ihr am 21. September 2017 zugestellten Beschluss hat die Bf. am 18. Oktober 2017 Beschwerde beim Sozialgericht Halle eingelegt. Das Gutachten sei am 10. August 2017 erstellt und am 11. September 2017 fertiggestellt worden. Insoweit sei es zu einer zeitlichen Überschneidung mit dem Beschluss vom 18. September 2017 gekommen. Das Sozialgericht hat die Beschwerde an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in Halle weitergeleitet, wo sie am 16. November 2017 eingegangen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte und der Streitakte S 18 R 799/15 (Sozialgericht Halle), die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 SGG bzw. nach §§ 106 Abs. 4, 118 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 411 Abs. 2 Satz 5 ZPO (in der ab dem 15. Oktober 2016 geltenden Fassung), § 409 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.
Die Festsetzung des Ordnungsmittels ist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 411 Abs. 2 Satz 1, 2 ZPO nicht zu Recht erfolgt.
Nach § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO soll, wenn ein zur Erstattung eines Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist versäumt, innerhalb derer er das Gutachten zu übermitteln hat, gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Hier hat das Sozialgericht die Bf. mit Beweisanordnung vom 14. Juni 2016 zur gerichtlichen Sachverständigen ernannt und sie mit der Gutachtenerstattung beauftragt, ohne eine konkrete Frist gemäß § 411 Abs. 1 ZPO, innerhalb derer sie das von ihr unterschriebene Gutachten zu übermitteln habe, zu setzen. Gemäß § 411 Abs. 1 ZPO in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung war normiert, dass das Gericht dem Sachverständigen eine Frist zur Gutachtenerstattung setzen soll. Mit der ab dem 15. Oktober 2016 geltenden Fassung des § 411 Abs. 1 ZPO setzt das Gericht dem Sachverständigen - obligatorisch - eine solche Frist.
Das Sozialgericht hat sich im weiteren Verlauf unter dem 2. Januar und dem 7. März 2017 nach dem Sach...