Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Erbringung medizinischer Behandlungspflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. kein Anspruch auf Hilfe beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege ist in Einrichtungen insoweit beschränkt, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann (vgl BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R aaO).
2. Soweit das Bundessozialgericht das An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zuordnet, muss damit mindestens auch das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II gemeint sein.
Leitsatz (amtlich)
Das Anziehen von Kompressionsstrümpfen kann im Allgemeinen durch das Personal in einem Wohnheim (vollstationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe) erbracht werden (Anschluss an BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Hilfe bei dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen hat.
Die Klägerin ist 1953 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen B, G und H festgestellt. Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Sie lebt in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen.
Am 20. Januar 2016 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. Behandlungspflege im Sinne des einmal täglichen Anziehens von Kompressionsstrümpfen für den Zeitraum vom 1. bis 29. Februar 2016. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2016 ab. Eine Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe wohne. Nach der aktuellen Rechtsprechung sei für einfache, medizinisch notwendige Leistungen der Behandlungspflege nicht die Krankenkasse, sondern die Einrichtung der Behindertenhilfe zuständig (Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - sowie vom 22. April 2015 - B 3 KR 16/14 R). Dabei handele es sich in der Regel um Leistungen, für die es keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedürfe. Dem entsprechend sei bereits die Einrichtung für diese Leistung verantwortlich und trage auch die dafür anfallenden Kosten.
Eine weitere von Dr. W. für den Zeitraum vom 2. Februar 2016 bis 2. Februar 2017 verordnete Leistung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 ebenfalls ab. Gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 erhob die Klägerin jeweils Widerspruch und führte aus, der abgeschlossene Heim-Betreuungsvertrag beinhalte nicht die medizinische Behandlungspflege. Zudem sei das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse II nicht durch die entsprechende Leistungsvereinbarung zwischen Wohnheim und Sozialagentur als Sozialleistungsträger vorgesehen. Das Wohnheim halte somit keine sachliche und personelle Ausstattung bezüglich dieser Maßnahme vor. Beigefügt war eine Bescheinigung von Dr. W. vom 5. November 2015, wonach die Klägerin körperlich und geistig nicht in der Lage sei, die verordneten Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Sie lebe in einer geschützten Einrichtung der Lebenshilfe und benötige Hilfe für alle Dinge des täglichen Lebens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2016 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 2. und 9. Februar 2016 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 1. Juni 2016 Klage erhoben und ausgeführt, sie benötige nicht allgemein Thrombosestrümpfe, sondern Kompressionstrümpfe der Klasse II, um die Entstehung von Lymphödemen als Folge der Diabeteserkrankung zu vermeiden. Diesbezüglich hat sie eine Stellungnahme ihres behandelnden Arztes beigefügt. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) sei geregelt, dass Kompressionsstrümpfe der Klasse II bis IV wegen ihrer besonderen Funktion fachgerecht anzulegen seien, damit zum einen eine Kompressionstherapie stattfinde und zum anderen die Gesundheit des Patienten nicht gefährdet werde. Jede Ungenauigkeit des Anziehers - wie etwa Faltenbildung - berge erhebliche zusätzliche Gesundheitsgefahren. Damit sei das fachgerechte Anziehen nur durch ein en...