Entscheidungsstichwort (Thema)
Isolierte Klage gegen einen Widerspruchsbescheid mit dem Ziel der vollständigen Auszahlung einer Rentennachzahlung. Verwaltungsaktcharakter eines Mitteilungsschreibens über den Rentenauszahlungsbetrag nach Abrechnung einer Erstattungsforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die isolierte Klage gegen einen Widerspruchsbescheid ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse hierfür besteht. Dieses besteht nicht, wenn die erstrebte vollständige Auszahlung der Rentennachzahlung mit der Leistungsklage zu verfolgen (vgl LSG Chemnitz vom 15.3.2016 - L 5 R 463/13 = juris RdNr 14f) und das Klageziel mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheids nicht zu erreichen ist.
2. Einem Mitteilungsschreiben über den Auszahlungsbetrag nach Abrechnung einer Erstattungsforderung fehlt der Verwaltungsaktcharakter (vgl BSG vom 15.2.1966 - 11 RA 289/65 = BSGE 24, 236 = SozR Nr 1 zu Art 1 § 2 6. RAG = juris RdNr 14 und vom 25.1.2011 - B 5 R 14/10 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 15 = juris RdNr 14).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheid und verfolgt die vollständige Auszahlung eines entstandenen Nachzahlungsbetrages nach rückwirkender Rentengewährung.
Das Sozialgericht Magdeburg verurteilte die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2014, der - im Gerichtsverfahren anwaltlich vertretenen - Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. April 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig. Mit Ausführungsbescheid vom 26. Januar 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung und wies darauf hin, dass die entstandene Nachzahlung vorläufig einbehalten werde.
Bereits am 6. November 2014 hatte das Jobcenter Salzlandkreis mit Schreiben vom 3. November 2014 einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) angemeldet und diesen mit Schreiben vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von insgesamt 27853,24 EUR und am 4. März 2015 in Höhe von 30027,81 EUR beziffert.
Unter dem 5. März 2015 sandte die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:
Sehr geehrte Frau D,
die einbehaltene Rentennachzahlung beträgt 26743,32 EUR.
Darauf hat Erstattungsanspruch erhoben:
Jobcenter Salzlandkreis Regionalstelle Sch. 24808,64 EUR Es verbleibt mithin ein Restbetrag in Höhe von 1934,68 EUR.
Zuzüglich der Zinsen in Höhe von 159,47 EUR
- Anlage 11 - beträgt der Gesamtbetrag 2094,15 EUR.
Dieser Betrag wird auf das angegebene Konto überwiesen.
Falls Sie während des Abrechnungszeitraumes noch weitere Leistungen von anderen ersatz- bzw. erstattungsberechtigten Stellen erhalten haben, bitten wir Sie, diese Abrechnungsmitteilung den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsche Rentenversicherung
Mitteldeutschland
In der Anlage sind die Zinsen mit insgesamt 159,47 EUR berechnet worden.
Am 13. April 2015 nahm die Klägerin - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - im Schriftsatz vom 8. April 2015 Bezug auf "Ihr Schreiben vom 5.3.2015" und teilte mit, sie erhebe Widerspruch gegen den "o.g. Bescheid". Der Erstattungsanspruch des Jobcenters sei nicht in der angegebenen Höhe rechtmäßig. Die Beklagte handele rechtswidrig, wenn sie ihr - der Klägerin - zustehende Leistungen einbehalte und sie - die Beklagte - werde gebeten, den Auszahlungsbetrag zu korrigieren. Mit Schreiben vom 16. April 2015 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, soweit "gegen den Bescheid vom 05.03.2015 Widerspruch eingelegt" worden sei, hätte der Widerspruch bis spätestens zum 10. April 2015 vorliegen müssen; er sei jedoch erst am 13. April 2015 eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Nachzahlung gemäß § 104 SGB X entsprechend der Bezifferung des Erstattungsanspruchs vom Jobcenter Salzlandkreis vom 23. Februar 2015 bzw. 4. März 2015, die als Anlagen beigefügt seien, erfolgt sei. Beanstandungen seien beim Jobcenter Salzlandkreis vorzutragen. Am 28. April 2015 teilte die Klägerin mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 10. Juni 2015 folgenden Widerspruchsbescheid:
Ihr Widerspruch vom 13.04.2015 gegen den Bescheid vom 05.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Ihnen entstanden Kosten des Widerspruchsverfahrens werden nicht erstattet.
Zur Begründung ist ausgeführt, das Schreiben vom 5. März 2015 stelle keinen Verwaltungsakt dar, da ein Regelungswille - eine rechtliche Situation verbindlich zu begründen oder zu verändern - nicht erkennbar sei. Die Höhe des zustehenden Nachzahlungsbetrages ergebe sich, indem sie - die Beklagte - als erstattungspflichtiger Leistun...