Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. aus eigenen Mitteln erwirtschaftetes Heiz- und Betriebskostenguthaben. Anrechnung in voller Höhe

 

Leitsatz (amtlich)

Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung (KdU) zuzuordnen sind, waren bis 31.7.2016 in voller Höhe auf die KdU-Aufwendungen im folgenden Monat anzurechnen, auch wenn sie - wegen vom SGB II-Leistungsträger mangels Angemessenheit nicht vollumfänglich "anerkannter" KdU - teilweise aus eigenen Mitteln "erwirtschaftet" wurden. Denn nach § 22 Abs 3 SGB II in der bis 31.7.2016 geltenden Fassung war eine Ausnahme ausschließlich für Rückzahlungen vorgesehen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen (§ 22 Abs 3 Halbs 2 SGB II aF). Erst durch die Neuregelung mit Wirkung vom 1.8.2016 wurde die Ausnahmeregelung des § 22 Abs 3 Halbs 2 SGB II auch auf "nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" erweitert. Vorher kam eine anteilige Nichtberücksichtigung wegen des insoweit klaren Wortlauts von § 22 Abs 3 SGB II aF nicht in Betracht.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. Juli 2015 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger streiten um die Anrechnung eines Heizkostenguthabens im Rahmen der Leistungsgewährung für den Monat Dezember 2014.

Die 1958 und 1952 geborenen Kläger und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Kläger) sind verheiratet und bewohnen eine 69 m² große Wohnung in der Stadt S., für die eine Kaltmiete von 299,37 EUR zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 80,00 EUR anfällt. Für die Heizkosten hatten die Kläger im Zeitraum von November 2013 bis Oktober 2014 monatliche Abschlagszahlungen von 111,00 EUR an den Versorger (M.) zu entrichten. Die Kläger bezogen von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Einkommen erzielten sie nicht. Mit Änderungsbescheid vom 11. November 2013 bewilligte der Beklagte Leistungen für November 2013 von insgesamt 1.229,70 EUR (564,85 EUR pro Person), die sich aus der Regelleistung (345,00 EUR) und anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von insgesamt 439,70 EUR zusammensetzten. Dabei kürzte der Beklagte die Bruttokaltmiete von 379,37 EUR (um 42,17 EUR) auf das von ihm als angemessen erachtete Maß von 337,20 EUR. Ebenso berücksichtigte er nur 102,50 EUR vom Heizkostenabschlag (Abzug von 8,50 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 11. November 2013 bewilligte der Beklagte Leistungen für Dezember 2013 von 1.129,70 EUR und für die Monate Januar bis Mai 2014 von je 1.145,70 EUR. Dabei gewährte er weiterhin KdU von 439,70 EUR. Mit Bescheid vom 9. Mai 2014 gewährte der Beklagte Leistungen von 1.145,70 EUR monatlich für die Monate Juni bis Oktober 2014 und von 1.043,20 EUR für November 2014. Für diesen Monat berücksichtigte er keine Heizkosten, da Abschläge nur bis einschließlich Oktober 2014 zu erbringen waren.

Mit dem Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Dezember 2014 legten die Kläger im November 2014 die Abrechnung des Gasversorgers vom 29. Oktober 2014 für den Zeitraum von 12. Oktober 2013 bis zum 9. Oktober 2014 vor. Aus Verbrauchskosten von insgesamt 1.082,44 EUR ergab sich bei Anrechnung der im Zeitraum von November 2013 bis Oktober 2014 entrichteten Abschläge von insgesamt 1.332,00 EUR (12 x 111 EUR) ein Guthaben von 249,56 EUR, das nach Anrechnung des für November 2014 fälligen Abschlags von 70,00 EUR in Höhe von 179,56 EUR an die Kläger ausgezahlt und am 5. November 2014 ihrem Konto gutgeschrieben wurde. Ab Dezember 2014 waren Gasvorauszahlungen von monatlich 90,00 EUR zu entrichten.

Mit Bescheid vom 10. November 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für Dezember 2014 von 959,64 EUR und für Januar bis Mai 2015 von monatlich 1.153,20 EUR. Für Dezember gewährte er KdU von 253,64 EUR. Zu diesem Betrag gelangte er, indem er von der gekürzten Bruttokaltmiete (343,20 EUR) und vom Heizkostenabschlag (90,00 EUR) den überwiesenen Guthabenbetrag von 179,56 EUR abzog.

Die Kläger legten gegen den Bescheid Widerspruch ein und machten geltend: Da der Beklagte ihre Heizkostenabschläge nicht in voller Höhe übernommen habe, dürfe das Guthaben nicht angerechnet werden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2014 zurück. Er führte aus, nach § 22 Abs. 3 SGB II sei das Guthaben in voller Höhe bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Für eine Differenzierung danach, von wem die Vorauszahlungen getätigt worden seien, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es insoweit allein auf die wirtschaftliche Lage im Zeitpunkt des Zuflusses an und nicht auf den Zeitraum, in dem das Guthaben "erwirtschaftet" worden sei. Das Guthaben sei nicht nur in Höhe der Kontogutschrift (179,56 EUR), sondern in voller Höhe von 249,56 EUR zu berücksichtigen gewesen, da es den Klägern nicht nur a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge